Murmeltiere haben ihr eigenes Wachsystem

Berchtesgaden (dpa/tmn) - Murmeltiere sind straff organisiert und darauf aus, ihre Familie vor Feinden zu schützen. Mit genügend Fettreserven für den Winter können die Tiere bis zu 18 Jahre alt werden.

Wer die Tiere in der Natur beobachten will, sollte sich ruhig verhalten.

Sie sind klein, possierlich und haben auch noch einen schönen Namen: Murmeltiere. „Murmeltiere sind auf der ganzen Nordhalbkugel der Erde verbreitet“, sagt der Zoologe Martin Becker aus Kronberg. In Deutschland leben sie seit langem nur noch in den Alpen. Wer sie beobachten will, sollte genügend Abstand halten: Sonst wittern die Tiere Gefahr und flüchten in ihren Bau.

In den Alpen sorgen die Murmeltiere aber nicht bei allen für Freude. So klagen Bergbauern in den Allgäuer Alpen über eine Murmeltier-Plage. „Sie kritisieren, dass die Höhleneingänge Stolperfallen für ihre Rinder seien und die Murmeltiere außerdem die Pflanzen wegfressen würden“, erzählt der Gebietsbetreuer des Naturschutzgebietes Allgäuer Hochalpen, Henning Werth.

Die Zeit der Murmeltiere ist nun ohnehin erst einmal vorbei. Im September verabschieden sich die etwa 50 bis 70 Zentimeter großen Tiere in den Winterschlaf, den sie unter der Erde halten. Die meist aus 3 bis 15 Tieren bestehende Familie kuschelt sich in ihrer Höhle eng zusammen - das ist ihre Überlebenschance. Denn Einzeltiere überstehen den Winter nicht. Zur Schlafenszeit verschließen sie den Höhleneingang mit einer Art Zapfen aus Erde.

„Dann schließen sie die Augen und schalten ihr Energiesparprogramm ein“, erklärt der Zoologe Ulrich Brendel vom Nationalpark in Berchtesgaden. Murmeltiere sind Meister des Winterschlafs: Sie atmen nur noch alle paar Minuten, ihr Herz schlägt drei- bis viermal pro Minute, der Körper kühlt auf sieben Grad ab. Im Sommer hat sich das Murmeltier etwa ein Kilogramm Fett angefressen - das muss bis zum Frühjahr reichen.

Die Chance, den nächsten Frühling zu erleben, ist allerdings für die Jungtiere gering. „Etwa ein Drittel übersteht den Winter nicht“, sagt Werth. Die Überlebenden erblicken völlig abgemagert im April wieder das Licht der Welt und kümmern sich bald darum, die nächste Generation entstehen zu lassen. Nach gut einem Monat kommen dann zwischen zwei bis sieben Mini-Murmeltiere zur Welt. Sie sind nackt und nur so groß wie eine Ratte.

Doch sie wachsen in erstaunlicher Geschwindigkeit. Innerhalb von nur vier Monaten wiegen sie 50 Mal so viel wie bei ihrer Geburt. Überstehen sie den ersten Winter, sind ihre weiteren Überlebenschancen gut. Sie können dann bis zu 18 Jahre alt werden. Ihr Leben verbringen sie mit ihrer Familie. Allerdings werden sie von ihren Eltern kurz vor der Geschlechtsreife aus dem Bau hinausgeworfen, damit sie ihre eigenen Familien gründen.

„Sie sind sehr straff organisiert. Der Chef ist immer ein älteres Männchen“, sagt Brendel. Das Familienleben ist meist friedlich. Ärger gibt es nur, wenn der Chef die Jungtiere verjagt. Dann zeigt er die typischen Drohgebärden: aufgerichteter Schwanz und gesträubte Haare. Außerdem knurrt er und schlägt die Zähne schnell aufeinander.

Weil Murmeltiere unter anderem auf dem Speiseplan von Adlern stehen, sind sie eher scheu. Sie lassen sich jedoch trotzdem gut beobachten. „Wir müssen nur auf den Wegen bleiben, dann sehen sie uns nicht als Gefahr“, berichtet der Zoologe Brendel von seinen Erfahrungen im Nationalpark Berchtesgaden.

Entdeckt ein Murmeltier eine Gefahr, dann schreit es laut. Mehrere kurze Schreie hintereinander bedeuten: Gefahr im Anmarsch. Ein lang gezogener Schrei heißt: Achtung, Adler! Warnschreie von Jungtieren werden allerdings nicht sonderlich ernst genommen. „Dann heben die anderen meistens nur kurz den Kopf“, sagt der Zoologe Becker. Erst bei einer ernst zu nehmenden Warnung flüchten sie sich in ihren Bau.

Um dieses Zuhause kümmern sich alle Murmeltiere gemeinsam. Die Innenausstattung besteht aus getrocknetem Gras, das sie abrupfen und in den Bau tragen. „Die meiste Zeit fressen sie aber“, erzählt Becker. Schließlich müssen sie genügend Fett für den Winter ansammeln. Gefuttert werden ausschließlich Pflanzen. In ihrer Freizeit sonnen sie sich gerne oder kraulen sich gegenseitig das Fell.