Alte Damen unter Dampf - Sachsens Schmalspurbahnen
Oberwiesenthal (dpa) - Die schnaufende Lok ist längst außer Sicht. Nur die Dampfwolke hängt noch zwischen den dunkelgrünen Fichten des Erzgebirgswald. Mit gemächlichen 25 Stundenkilometern rollt die Fichtelbergbahn von Oberwiesenthal in Richtung Cranzahl.
240 Höhenmeter muss die „alte Dame“, wie die Loks gern genannt werden, auf 17 Kilometern Strecke bewältigen. Acht Schmalspurbahnen fahren durch Sachsen. Fünf davon stehen wie die Fichtelbergbahn täglich unter Dampf. Das ist in Deutschland einzigartig, betont Dagmar Weigert von der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft, mit drei der acht Strecken der Platzhirsch unter den Schmalspurbahnen im Freistaat.
Zu dem Unternehmen gehören neben der Oberwiesenthaler Bahn die Weißeritzbahn in der Sächsischen Schweiz sowie die Lößnitzgrundbahn zwischen Radebeul und Radeburg. Hier diene die alte Dampflok sogar als Schulbus. „Wir sind also kein Museum, unsere Aufgabe ist der Schienenpersonennahverkehr“, sagt Weigert.
Darüber hinaus wird die Tradition in zahlreichen Museumsbahnen gepflegt. Etwa 45 Vereine von Eisenbahnfreunden mit rund 3000 Mitgliedern gibt es im Freistaat, berichtet Christian Sacher. Als Projektleiter der „Dampfbahn-Route“, einer 750 Kilometer langen Themenstraße quer durch Sachsen, hat er den Überblick. Das Land verfüge über das dichteste und vielseitigste Angebot in ganz Deutschland und könne sich mit Fug und Recht als „Dampfbahnland“ bezeichnen.
Die Anzahl der diesjährigen Veranstaltungen rund um das Thema sei dreistellig, schildert Sacher. Allein für die Saisonhöhepunkte könne man einmal von Ost- bis Westsachsen fahren: Die Auswahl reicht vom Festival der Zittauer Schmalspurbahn bis zu den Schwarzenberger Eisenbahntagen. „Eine Fahrt mit einem Dampfzug ist die wohl lebendigste Art und Weise Industriekultur zu erleben, man spürt die alte Technik mit allen Sinnen und kann das Zusammenspiel von Mensch und Maschine erleben“, versucht Sacher die Faszination des Dampflokfahrens zu beschreiben.
Nicht ganz so romantisch geht es auf dem Führerstand einer Dampflok zu. Heizer Claus Graubner hat schon nach einem halben Arbeitstag eine feine Kohleschicht auf dem Gesicht, während er vor der Weiterfahrt Wasser nachtankt und nebenbei das Feuer im Auge behalten muss. Denn das dürfe nicht ausgehen, müsse Tag und Nacht brennen, damit die Dampflok fahren kann. „Einen Schalter zum Ein- und Ausschalten hat so eine Lok nicht“, erklärt der 63-Jährige. Um auf Betriebstemperatur zu kommen, dauere es gut sechs Stunden.
Erst nach 40 Tagen gönnt man der Lok eine Pause, sie wird „kalt gemacht“ und rollt zurück in den Lokschuppen. Dort wird sie dann von Uwe Lauckner und seinen Kollegen für den nächsten Einsatz ausgewaschen und gewartet. „Platzangst darf man nicht haben, denn wir müssen in die Feuerbüchse hineinkriechen“, erklärt der 56-Jährige. Die Arbeit sei körperlich schwer und vor allen Dingen dreckig. Seine kohlrabenschwarzen Hände sprechen Bände.
Auch auf der anderen Seite der Werkstatt gehören schmutzige Hände zum Tagesgeschäft. Allerdings nehmen Toni Höber und seine Kollegen die Loks mithilfe eines großen Krans einmal komplett auseinander, um die alle acht Jahre fällige Hauptuntersuchung durchzuführen. „Derzeit laufen zwei solcher Untersuchungen“, berichten die Lokschlosser. Etwa neun Monate dauere das Ganze.
Am Ende müssen Sachsens Bahnen dem prüfenden Blick von Steffen Henkel Stand halten. Der Landesbeauftragte für Eisenbahnaufsicht ist auch nach 30 Jahren in diesem Amt noch fasziniert von der alten Technik. „Jede einzelne Bahn ist ein Juwel“, ist der sächsische Oberaufseher überzeugt.
Er selbst schnupperte vor gut 50 Jahren zum ersten Mal den ganz besonderen Duft einer Dampflok: Als Pionier bei der Dresdner Parkeisenbahn, einer von fünf sächsischen Bahnen dieser Art. „Mehr als 220 Kinder und Jugendliche leisten dort heute noch wöchentlich Dienst.“ Dabei werde neben der Tradition gleich noch eine berufliche Orientierung mit auf den Weg gegeben - Nachwuchsgewinnung für das „Dampfbahnland“.