Garküchen und Gourmet-Tempel Bangkok vom „Guide Michelin“ geadelt
Bangkok (dpa/tmn) - Meterhoch schießen Flammen aus dem Wok. Eine normale Küche würde längst brennen. Bei Ann Guay Tiew Kua Gai in Bangkoks China Town aber wird unter freiem Himmel gekocht, in einem schmuddeligen Hinterhof.
Der Anblick von Krabbeltierchen und Essensresten auf dem Boden lässt den westlichen Magen krampfen, der betörende Duft von Sojasoße, Knoblauch und Chili in der schwülheißen Luft das Wasser im Mund zusammenlaufen.
„Wer sehr empfindlich ist, darf halt nicht so genau hinschauen“, sagt Naiyana schmunzelnd. Die Thailänderin begleitet Touristen auf kulinarische Streifzüge durch Bangkok, dem der angesehene „Guide Michelin“ für 2018 erstmals einen Restaurantführer gewidmet hat. „Für authentisches Street Food muss man sich manchmal etwas überwinden.“
Mit einem Tuk Tuk düst Naiyana abends durch das Verkehrsgewühl von einem Lokal zum anderen. Sie stoppt auch vor Läden, in die westliche Besucher allein keinen Fuß setzen würden. Dort sitzen Einheimische dicht gedrängt auf Plastikstühlen an blanken Tischen. Grelles Neonlicht beleuchtet kahle Wände.
Gekocht wird wie bei Ann Guay Tiew Kua Gai im Hinterhof oder wie bei Toom Jim Joom gleich auf dem Gehweg in kleinen Lavasteintrögen. Über glühender Holzkohle liegen Grillroste, Suppen- und Reistöpfe dampfen vor sich hin. An Haken hängen Fleischstücke, Innereien, Hühnerfüße. Der Regierung sind die Garküchen an den Hauptstraßen ein Dorn im Auge, ein Verbot war geplant. Mit ihrem Feldzug für mehr Ordnung und Sauberkeit haben die Behörden aber die Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Nach Protesten gab die Regierung klein bei.
So einfach die Garküchen auch sind, was dort in Windeseile zubereitet wird, ist köstlich: Bei Restaurant-Besitzer Toom sind es Klassiker wie Grüner-Papaya-Salat und Tom-Yung-Gang-Suppe. Thai-Gerichte sind purer Genuss, sofern man nicht in die Chili-Falle tappt. „Weniger scharf“ ist für Nicht-Thailänder immer noch höllisch scharf.
„In den Hotel-Restaurants kochen wir natürlich entsprechend entschärft“, erzählt Ning. Die Thailänderin ist Köchin im „Peninsula Hotel“ direkt am Chao Phraya. Das Thai-Restaurant „Thiptara“ gehört zu den schönsten der Stadt. Wie das herausragende chinesische Restaurant des Hotels, „Mei Jiang“, wird es im neuen „Guide Michelin“ empfohlen. Es ist einem thailändischen Dorf nachempfunden und mit Teakholz-Hütten rund um einen Banyan-Baum herum gebaut.
Im „Thiptara“ finden auch Thai-Kochkurse statt. Morgens fährt Ning mit ihren Gästen zunächst auf den Tha Din Daeng Markt ganz in der Nähe des Hotels - selbstverständlich landestypisch mit dem Tuk Tuk. „Thailändische Gerichte sind einfach, gute Zutaten deshalb das A und O“, betont die Köchin. Auf dem Markt stapeln sich Gemüse, Pilze, Sprossen und Gewürze. Die wichtigsten Kräuter für die Thai-Küche sind Basilikum, Koriander, Kaffirlimetten, Minze und Pandan. All dies wird im „Peninsula“ im eigenen Hotelgarten angebaut.
In ihren Kursen präsentiert Ning immer auch den Klassiker Pad Thai. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es zum Nationalgericht erklärt, um den Reiskonsum einzudämmen. Zur Herstellung von Reisnudeln kann man auch gebrochene Reiskörner verwenden. Für Pad Thai werden Fischsoße, Tamarindenpaste, Knoblauch, Chili und Mungbohnensprossen verwendet. Getrocknete Krabben verleihen ihm zusätzlich Würze, Koriander, Frühlingszwiebel und Limette Frische.
„Pad Thai gibt es überall, aber nirgendwo so gut wie bei „Thipsamai““, schwört Naiyana auf ihrer Kulinariktour - noch eine Empfehlung. Das Restaurant in der Nähe des rund um die Uhr geöffneten Blumenmarkts gibt es seit 1966. Allabendlich bilden sich Schlangen vor den Woks an der Straße. Das Thipsamai ist in fast jedem Reiseführer erwähnt. Dennoch kostet das Pad Thai dort nur 60 Bhat, etwa 1,50 Euro.
Bei Jay Fai zahlt man für die Spezialität des Hauses 1000 Baht, umgerechnet 26 Euro. Ein stolzer Preis für eine Garküche. Aber das Krabben-Omelett Khai Jeaw Poo ist jeden Cent wert. Denn am Wok steht eine Meisterköchin. Die Frau mit ihren 70 Jahren und den sehnigen Armen trägt eine Art Skibrille, um ihre Augen vor Fettspritzern zu schützen. Seit 40 Jahren kocht Jay Fai in dem nach ihr benannten Lokal. In Bangkok ist sie längst eine Legende, jetzt aber kennt sie die ganze Gourmet-Welt. Denn der altehrwürdige „Guide Michelin“ zeichnete Jay Fai Anfang Dezember sensationell mit einem Stern aus.
Jay Fai ist eins von 14 Restaurants, die der in Frankreich gegründete Führer in seiner ersten Bangkok-Ausgabe mit einem Stern geadelt hat. Zum erlauchten Kreis der Sternerestaurants zählt auch das „Sühring“. Dort servieren die Berliner Mathias und Thomas Sühring in einer ehemaligen Diplomatenvilla moderne Interpretationen deutscher Klassiker wie Frankfurter Grüne Sauce oder Rehrücken mit Spätzle.
Insgesamt hat der „Guide Michelin“ 17 Restaurants in Bangkok mit Sternen versehen. Die Höchstwertung von drei Sternen wurde nicht vergeben. 14 bekamen einen, drei Lokale zwei Sterne. Darunter das „Mezzaluna“ im 65. Stock des „Lebua Hotel“-Towers, der auch mit einer der berühmtesten Roof-Top-Bars Bangkoks aufwartet.
Der Thailändische Tourismusverband hatte großes Interesse an der Bangkok-Ausgabe des „Guide Michelin“. Dass der ansonsten das Loblied auf die französische Küche singende Führer viele Thai-Küchen hoch bewertet hat, wird die Touristiker freuen. Schließlich sind die Auszeichnungen der Inspektoren so etwas wie ein Ritterschlag. Unter den 14 Ein-Sterne-Lokalen sind immerhin sieben Thai-Restaurants - von Jay Fais Garküche bis hin zum prunkvollen „Sra Bua by Kiin Kiin“.