Unterwegs auf Schienen Bei Vollmond nach Rom - Reisen mit dem Nachtzug

Berlin/Rom (dpa/tmn) - In einer Zeit, in der alles schnell gehen soll, wirkt der Nachtzug wie ein müder Dinosaurier. Tatsächlich verschwindet diese Art des Reisens: Ende 2016 hat die Deutsche Bahn ihr Nachtzuggeschäft wegen hoher Verluste eingestellt.

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Acht Nachtzug-Verbindungen von Deutschland aus gibt es noch: Betreiber sind die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). „Den Römer fahren“ sagen Nachtzugführer, wenn sie die Strecke von München nach Rom meinen. Sie führt über die Alpen, Bologna und Florenz in die italienische Hauptstadt. Die Route klingt romantisch.

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Nightjet heißt der blaue Nachtzug der ÖBB. Das klingt nach Flugzeug, aber vor mir steht natürlich ein Zug. Ich blicke in ein Abteil mit drei Sitzen, die Tür kann man abschließen, das Fenster öffnen, das Bad ist im Abteil. Einen Speisewagen gibt es nicht. Verpflegung bekomme ich vom Schlafwagenbetreuer.

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Auf dem Sitz erwartet mich eine Tüte mit Schlafmaske, Ohrstöpseln, Erfrischungstuch und Einmal-Hausschuhen. Wasser, Saft und Prosecco stehen auch bereit. Nur das Bett - wo ist das Bett?

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„Das Bett bauen wir später auf“, sagt Francisco Schrammel. Er ist der Night Stewart, aber man darf ihn auch Schlafwagenbetreuer nennen. Schrammel, 33, baut die Betten auf und wieder ab, sammelt die Frühstückswünsche, bringt Essen und Getränke. Drei bis vier Kollegen hat er pro Nacht noch, darunter den Zugführer. Sie kümmern sich um bis zu 150 Passagiere. Nachts macht Schrammel Rundgänge, morgens weckt er die Gäste. Er schläft nicht. „Nicht mal ein Nickerchen.“

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Julia und Christina aus Bremen sitzen in einem Zweibettabteil. Julia hat Angst in Flugzeugen, Christina wäre auch geflogen. „Im Flieger wackelt es genau so wie hier, nur nicht so lange.“ Julia findet es gut, ihrem Reiseziel langsam entgegen zu fahren - der Zug startet um 20.10 Uhr in München und ist um 9.22 Uhr in Rom.

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Die Nacht verbindet - auch wenn im Nachtzug Klassensystem herrscht. Es gibt Schlaf-, Liege- und Sitzwagen. Die Menschen treffen sich nur auf dem Bahnsteig zum Rauchen oder auf dem Gang. Dort steht ein Paar mit gleicher Frisur: vorne kurz, hinten lang, er brünett, sie blond. Ich frage mich, ob sie nach Italien oder in die Achtziger reisen, er küsst sie in den Nacken. Im Sitzwagen wird derweil Schnaps gereicht.

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Zurück in meinem Abteil finde ich es seltsam, auf den Bahnsteigen Menschen zu sehen, wo ich doch fast im Bett bin. Nachtwagenbetreuer Schrammel zieht schließlich die Sitze mit ein paar Handgriffen weg und ein Bett aus der Wand. „Gute Nacht!“

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Bis auf das Poltern der Schienen ist es ruhig. Als ich das Licht in der Kabine lösche, gibt der Vollmond den Blick in ein Tal mit Dörfern frei. Vor dem Zugfenster tanzen Tannen, wir müssen in den Alpen sein. Der Anblick ist so idyllisch, dass ich das Schlafen kurz vergesse.

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Als ich aufwache, geht die Sonne über der Toskana auf. Auf einmal verstehe ich nicht mehr, warum man sich in ein Flugzeug zwängen soll, auf das man Stunden warten muss. Nicht nur ist das Zugfahren entspannter, es ist auch interessanter. Man sieht, wohin man fährt, kommt dem Ziel tastend näher. Der Zugführer spricht jetzt Italienisch.

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„Haben Sie den Sonnenaufgang über der Toskana gesehen?“, fragt Schrammel, als er das Bett in der Wand verstaut und einen Tisch montiert. Zum Frühstück schaue ich aus dem Fenster, noch eine Stunde bis Rom, die Zeit ist verflogen.

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Auch Julia und Christina sind wach. „Ich hab die ganze Zeit rausgeschaut heute Nacht, es war so schön“, sagt Julia. Ihre Schwester hat geschlafen, fühlt sich aber nicht so. Die beiden packen ihre Sachen, wir fahren schon durch Roms Vororte.

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In Rom Termini herrscht Bahnhofsgewimmel. Es kommt mir unwirklich vor, dass die Nacht mich hierher gebracht hat, und jetzt ein sonniger Tag vor mir liegt. Ob er glaube, dass der Nachtzug Zukunft hat, frage ich Francisco Schrammel, der noch am Abend mit demselben Zug zurück nach München fahren wird. „Die Sympathie für die Züge ist da.“