Cinque Terre/Italien: Mediterrane Sehnsuchtsbilder
Weinberge retten und Haie bestaunen: Aktiv-Urlauber in Cinque Terre können mithelfen, das Welterbe zu retten.
Cinque Terre. Dahin fahren, wo alle sind? Wo sich Deutsche, Japaner und Amerikaner auf die Füße treten? Nach Cinque Terre an der Riviera di Levante? Ja, unbedingt! Denn die Küste der fünf berühmten Dörfer ist immer noch zauberhaft. Doch wer ihre Schönheit erleben will, muss sich um sie bemühen und aktiv werden: auf Wanderpfaden hoch über dem Meer, beim Mitarbeiten in den steilen Weinterrassen oder beim Tauchen unterhalb der Klippen.
Morgens um Sieben gehört der Aussichtspunkt am Kap von Punta Mesco noch den Smaragd-Eidechsen und der Ziegenherde, die sich nahe an den Klippen durch die niedrigen Büsche der Macchia frisst. Wandergruppen sind noch nicht in Sicht.
Unten in der Bucht scheint der Strand von Monterosso al Mare im Morgenlicht. Nach Süden hin, zur Spitze der Halbinsel bei Portovenere, verlieren sich die bis zu 800 Meter hohen Ausläufer des Ligurischen Apennin im Dunst. Dort liegen die anderen vier Dörfer der Cinque Terre, der „Fünf Länder“: Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore. Verbunden sind die abgelegenen Orte durch Pfade, die oberhalb der Dörfer durch die Berge und Weinterrassen führen.
Vom Aussichtspunkt über Punta Mesco geht es bergab nach Monterosso. Dort schließt sich der „Sentiero Azzurro“ an. Der auf Karten blau markierte Küstenwanderweg 2 ist wahrscheinlich der bekannteste Trampelpfad Italiens.
Über neun Kilometer führt er auf und ab durch Weinberge, Olivenhaine und entlang der Steilküste, wo Ginster und Kakteen wachsen. Mit den bewaldeten Bergen und den sattgrünen Weinterrassen im Hintergrund bilden Vernazza, Corniglia, Manarola und Riomaggiore die perfekte Kulisse für mediterrane Sehnsuchtsbilder.
Mal kleben die ineinander verschachtelten Häuser mit ihren verwitterten bunten Fassaden wie Schwalbennester zwischen den Felsen, mal thronen wie ein Adlerhorst über den Klippen. Die schmalen Gassen führen über viele Treppen hinab zu Häfen, in denen die Wellen gegen bunt bemalte Fischerboote schwappen.
„Seitdem wir den Nationalpark haben, seitdem Küstenfischerei und Unterwasserjagd beschränkt wurden, sind die Fische zurückgekehrt“, sagt Dario Ferrari, der seit 30 Jahren die Tauchschule Punta Mesco in Levanto betreibt.
Ab in die ligurische Unterwasserwelt: Auf einer Sandebene breitet sich eine Seegraswiese aus. Die Gräser wiegen sich mit den Wellen wie ein Kornfeld im Sommerwind. Dahinter steigt die Felswand an, überzogen mit einer lebenden Tapete aus gelben Krustenanemonen und orangefarbenen Schwämmen. Hier und dort ragen Fächer aus roten Hornkorallen ins blaue Freiwasser, wo ein Barrakuda einer pulsierenden Wolke aus silbrigen Sardinen folgt. Aus Felsspalten lugen Langusten und Muränen. Ein Katzenhai ruht auf einem Stein.
Auch an Land tragen die Schutzbemühungen Früchte: Die Region, seit 1997 Weltkulturerbe, hat sich zum Vorreiter für nachhaltigen Tourismus gemausert. Autos wurden aus den Orten verbannt. Tagesgäste und Einheimische gelangen mit dem Zug und mit gasbetriebenen Bussen an jeden halbwegs interessanten Ort. Und wer will, kann selbst Hand anlegen und so die Folgen der Landflucht eindämmen.
Als der Tourismus ein sicheres Einkommen versprach, wollten sich viele Winzer nicht mehr in ihren Weinbergen mühen. Die Trockensteinmauern zerfielen, die steilen Weinterrassen rutschten ab, ganze Hänge wurden instabil.
Initiativen wie „Protect the cinque terre“ mit Sitz in Vernazza haben aus der Not eine Tugend gemacht: Gäste sollen an zwei, drei Tagen jeweils ein paar Stunden in den Weinbergen die Steinmauern instand setzen. Für die Plackerei gibt es, was allen Tagestouristen verborgen bleibt: Einblicke in das Alltagsleben der Cinque Terre. Und abends bei Wein, Fisch und Pasta entspannten Kontakt zu den Vernazzesi.