Die Ruhe der Fischer: Loslassen am Lake Malawi

Nkhata Bay (dpa/tmn) - In Nkhata Bay am Lake Malawi ticken die Uhren anders. Oder gar nicht. Der Hafenort mitten in Südostafrika lädt zum Müßiggang ein. Immergrüne Vegetation greift auf die kleinen Holzhütten über, und die Ruhe des Sees auf die Reisenden.

Der Blick geht weit über das Wasser. Durch die Fugen zwischen den Brettern des Balkons fällt Sand, den die Füße in die Hütte getragen haben. Unten schlagen kleine Wellen gegen die Steine. Ansonsten ist es sehr ruhig und auch sehr feucht. Graue Wolken bedecken den Himmel. Im Dunst sind gerade noch die Berge am gegenüberliegenden Ufer zu erkennen. Schmale Boote liegen auf dem See, ohne erkennen zu lassen, ob sie sich heute überhaupt noch bewegen. Es sind die Fischer, die dem Lake Malawi in Nkhata Bay eine bedächtige, fast meditative Stimmung verleihen.

Je tiefer sich der Minibus von Mzuzu im bergigen Hinterland auf 1254 Metern zu der Hafenstadt hinab schlängelt, umso wärmer wird es. Die Luftfeuchtigkeit, die zwischen November und April bei 100 Prozent liegen kann, verlangsamt die Bewegungen. Der erste Blick auf das trübe Blaugrau des Sees lässt einen auch innerlich zur Ruhe kommen. Taxen fahren die Touristen zu den Lodges, die südlich des Orts direkt am Ufer liegen. Es geht nur im Schritttempo voran. Dann tauchen die Holzhütten auf, die in den steilen Uferhang hineingebaut wurden.

Nkhata Bay ist eine dieser furchtbar beliebten Anlaufstellen für verstreute Rucksackreisende in Südostafrika. Im Ort sieht man dennoch fast keine Weißen. Erst auf der Holzterasse der Lodge-Anlage finden sie wieder zusammen. Es ist wie eine Enklave, die hier mitten im feucht-warmen Nirgendwo liegt. Frühstück gibt es den ganzen Tag. Müsli, Früchte, Rührei und Kaffee. Die meisten sitzen herum und lesen oder spielen Billard. Auch Schnorcheln und Bootstouren stehen auf dem Programm, aber das macht kaum jemand. Es reicht, von früh bis spät den stummen, weiten See vor sich zu haben.

„Es ist so günstig für euch Europäer, herunterzukommen und ein bisschen hierzubleiben“, sagt Philip, der hinter der Bar steht und einen Assam-Tee zubereitet. „Aber den anderen Weg zu gehen, von unten nach oben, das ist für uns unglaublich schwer“, erzählt der junge Malawier. Abends serviert er frisch gefangenen Fisch. Wer in einer der einfachen Herbergen arbeitet, kann sich glücklich schätzen. Die Fischer auf dem See müssen sich ihr Auskommen härter verdienen. Malawi ist ausgesprochen arm.

Beim gemeinsamen Billard erscheint es für kurze Zeit so, als hebe sich die klare Trennung zwischen einheimischem Dienstleister und zahlenden Touristen auf. Wer in den Ort oder zum Chikale Beach herüberspaziert, wird dagegen schnell von Händlern umringt, die wahlweise Kunsthandwerk oder Marihuana anbieten. Schon häufiger soll es auf dem Weg zu Überfällen gekommen sein. Zumindest in der Gemütlichkeit dieses Mittags erscheint das als unwahrscheinlich. Touristen sind gerade keine zu sehen. Doch es müssen wohl einige kommen, nach der Regenzeit, sonst gäbe es keine Souvenirverkäufer.

Hätte Madonna nicht ein Kind aus Malawi adoptiert, wäre das Land wohl noch weniger bekannt. Und Nkhata Bay mit seinen tiefgrünen Ufern und kleinen Hütten scheint erst recht ganz weit weg von allem zu sein. Ob so ein Ort noch als Geheimtipp gilt oder nicht, das ist immer eine müßige Frage unter Travellern. In der Regenzeit im Februar kommen jedenfalls nur wenige hierher. Dann erzeugen Wolken und Licht über dem See eine Stimmung, die irgendwo zwischen Melancholie und glückseliger Genügsamkeit liegt.

Sicher, wir könnten ruhig mal mit dem Boot rausfahren, sagt Philip. Das dauert vielleicht eine halbe Stunde. Dann strömt die Ruhe des Sees langsam durch die Holzplanken ins Innere. Der Blick wandert vom diesigen Horizont über das Wasser bis zu den Holzhütten am Ufer. Fast scheint es, als müsse man nie wieder fort von hier, so wie die Fischer. Erst auf dem Rückweg, wenn das Paddeln gegen die Strömung die Arme schwer macht, kehrt man zurück in die Wirklichkeit.