Crowddonating: Als Rucksacktourist die Welt verbessern
Frankfurt/Main (dpa) - Coladosen, Plastikflaschen, ein weiterer Sack landet auf der randvollen Tragfläche des Mülllasters. Fertig sind die Sammler noch nicht, sie suchen weiter. So haben es Anita Kisiala und Nico Hopp mit ihrer Kamera festgehalten.
Das Video zeige keine Mülldeponie, sondern einen Strand der Insel La Réunion. Das soll jeder sehen, deshalb stellten sie den Clip in ihren Reiseblog „youkeepustraveling“ (deutsch: Ihr haltet uns auf Reisen). Neben anderen sozialen Projekten soll er Leute zum Spenden bewegen.
Ein Abend mit Freunden, ein paar Gläser Wein und der Wunsch, die Welt ein bisschen zu verbessern: So sei die Idee der Charity-Reise entstanden, sagt der 35-jährige Hopp aus Wiesbaden. Vor zwei Jahren wohnten er und seine Freundin noch in Frankfurt. Hopp leitete eine Agentur als Produktgestalter, Kisiala arbeitete als Pädagogikdozentin für die Organisation Internationaler Bund. „Das allein hat uns aber nicht gereicht. Wir wollten unser Leben möglichst sinnvoll gestalten und was Gutes tun“, sagt die 31-Jährige aus Rüsselsheim.
Von heute auf morgen haben sie ihren Job an den Nagel gehängt und Wohnzimmer gegen Rucksack getauscht. Die Reaktionen in den Familien waren hart, der Start schwer: Sätze wie „Denkt an eure Zukunft“, „Überlegt euch das gut“ haben sie oft gehört. Doch die Vision hat gesiegt: Um die Welt reisen und helfen, Missstände zu beseitigen. In Indonesien und dem französischen Übersee-Gebiet Réunion im Indischen Ozean waren sie schon, zurzeit sind sie an Australiens Westküste.
Eine Route haben sie nicht im Kopf, einen Zeitplan auch nicht. „Wenn uns etwas gefällt, bleiben wir. Wenn wir helfen können, helfen wir“, sagt Hopp. Einem Dschungelführer aus Sumatra, der während einer Flut seine Existenz verlor, haben sie zum Beispiel einen Internetauftritt für einen neuen Kundenkreis organisiert.
Heiß Duschen ist Luxus, ein kaltes Getränk gibt es nur manchmal. So sparen sie Geld für ihre sozialen Projekte, denn die schlucken einiges. Neben dem Ersparten soll ein Großteil deshalb über Crowddonating finanziert werden. Bislang flossen seit Februar 2014 etwa 1500 Euro Spenden in ihre Reisekasse. Das Prinzip der Schwarmfinanzierung ist einfach: Über ihre Homepage sammeln sie Spendengelder, die vollständig in die Arbeit vor Ort fließen sollen.
Im Gegensatz zur Crowdfunding-Methode erhalten die Geldgeber keine Gegenleistung, sondern das Resultat ist ihr Dankeschön. Spender sehen darin oft eine Möglichkeit, einen positiven Beitrag zu leisten - über den auch Hopp und Kisiala mittels regelmäßiger Blog-Einträge und Videos ihre Spender informieren. Diese Transparenz sei wichtig, so Hopp. „Jeder soll wissen, wo sein Geld in der nächsten Woche landet.“
Für Unternehmer wie das Blogger-Duo Hopp und Kisiala ist die Finanzierung von außen oftmals die wichtigste Geldquelle. „Sponsoren zu bekommen, ist sehr aufwendig. Große Firmen machen bei so kleinen Projekten eher weniger mit“, sagt Björn Lampe, Projektleiter bei „betterplace.org“, der nach eigenen Angaben größten Online-Spendenplattform Deutschlands.
Der Trend, Projekte über fremde Geldgeber zu finanzieren, nimmt zu. Dabei gibt es verschiedene Wege des Crowdfundings, wie René Klein sagt, Chefredakteur des Existenzgründerportals „Für-Gründer.de“. „Gerade bei Unterstützungen gegen kreative Gegenleistungen wächst der Markt. Da kann man eben direkt mit der Zielgruppe in Verbindung treten, und das auf einer sehr persönlichen Ebene.“
Wie viel Geld in Deutschland in diese Finanzierungsart fließt, ist laut „betterplace.org“ bislang kaum aufgeschlüsselt. Fakt ist aber: Auf Crowdfunding-Plattformen wurden 2014 rund 8,7 Millionen Euro erzielt, im Vorjahr waren es knapp 3 Millionen weniger. Rund 60 Prozent der gestarteten Projekte waren 2014 laut einer Studie der Plattform „Für-Gründer.de“ erfolgreich. Projektleiter Lampe schätzt die Erfolgsquote im Schnitt auf rund 30 Prozent. „Im Crowddonating würde ich behaupten, dass die Quote ähnlich ist“.
Der Gedanke an Erfolg ist jedoch weit weg, wenn Anita Kisiala zum Beispiel an gefolterte Hunde auf Sumatra denkt. Angst vor dem Scheitern kommt gelegentlich auf, wie sie sagt. „Manchmal habe ich den Gedanken auszusteigen.“ Doch dann siegte bislang immer die Idee „Es gibt noch viel zu tun“.