Der Papst kommt: Ausnahmezustand in Berlin
Berlin (dpa) - Gottesdienste und Schwulendemos, Blumen, Boykott und viel Polizei - zu Beginn seiner Deutschland-Reise trifft Papst Benedikt XVI. in Berlin auf Menschen zwischen Gottvertrauen und Kirchenferne.
Vor der historischen Visite des Papstes an diesem Donnerstag (22. September) schwankte die deutsche Hauptstadt, in der nur jeder Zehnte katholisch ist, zwischen freudvoller Erwartung, Schulterzucken und offener Ablehnung. Am Brandenburger Tor und am Reichstag wehte am Mittag die gelb-weiße Flagge des Vatikans.
Massive Polizeipräsenz und Kontrollen - die Innenstadt wurde zur Hochsicherheitszone. Verschweißte Gullydeckel, Absperrgitter und weiträumige Parkverbote kündigten im Regierungsviertel den Staatsbesuch an. Für den Pontifex gilt, wie etwa für den israelischen Premierminister oder den US-Präsident, die höchste Gefährdungsstufe.
Wenn der Papst am Vormittag (10.30 Uhr) auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel landet, bleibt die Besucherterrasse geschlossen. Seit der Nacht zum Mittwoch patrouillieren Polizisten durch den Tiergarten. Insgesamt sind 6000 Beamte rund um die Uhr im Einsatz.
Die meiste Aufregung gab es über das zu erwartende Verkehrschaos mit kilometerlangen Staus. Rund um die Vatikan-Vertretung in Neukölln, wo der Papst übernachten wird, und am Olympiastadion wurde die Sicherheit verschärft. Die Nachbarn müssen ihre Ausweise vorzeigen, wenn sie in ihre Häuser wollen.
„Mit dem Papst habe ich nichts am Hut“, sagte etwa Jan-Paul Knölker (28). Der Pontifex und seine Botschaft sind dem Berliner egal. Auch Thorsten Kollmann aus Menslage in Niedersachsen ließ der Besuch kalt. „Kirche ist nicht wichtig. Die Menschheit ist kritischer und intelligenter geworden“, sagte der 46-Jährige am Checkpoint Charlie.
Die ersten Papstgegner haben sich bereits warmgelaufen. „Not welcome“ hieß es auf Plakaten unter anderem auf dem Potsdamer Platz, wo am Donnerstag nach Angaben des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) 20 000 Menschen gegen die „Sexualpolitik“ des Vatikans zur St.-Hedwigs-Kathedrale, der Hauptkirche der Berliner Katholiken, ziehen wollen.
Für Unmut der katholischen Kirche sorgte am Vorabend der geplante Gottesdienst von zwei suspendierten Pfarrern, die in der evangelischen Thomas-Gemeinde in Kreuzberg eine Messe lesen wollen. Diese Gastfreundschaft werde „mit Befremden zur Kenntnis genommen“, erklärte das Erzbistum. Die Pfarrer Norbert Reichers und Christoph Schmidt seien von ihren Bischöfen in Paderborn und Essen suspendiert worden. Dies schließe das Verbot ein, einen Gottesdienst zu zelebrieren.
Mit Chören und Trompeten wird die Berliner Kirche den Papst dagegen im Olympiastadion empfangen. Nach dem strammen politischen Programm lässt Benedikt seinen ersten Tag auf Heimatbesuch mit einer Messe ausklingen. Wenn er sich dann nach dem Gebet mit 70 000 Gläubigen zur Übernachtung in die Apostolische Nuntiatur begibt, sollen die Straßen frei sein. Die Polizei hat die Bewohner an der Strecke aufgefordert, die Fenster zu schließen und ihre Balkone zu meiden.