Die Sinterterrassen in Pamukkale strahlen wieder
Pamukkale (dpa/tmn) - Viele Jahre sprudelten die Quellen kaum. Die riesigen Sinterterrassen von Pamukkale in der Türkei hatten einen schmutzigen Grauschleier. Dank abgerissener Hotels und Badeverbot strahlen sie heute wieder in schönstem Weiß - auch nachts.
Die meisten Besucher feiern am Abend in den Hotels. Sie verpassen, wie schön die Kalksinterterrassen von Pamukkale in der Dunkelheit sind. Der Mond scheint hell. Laternen sorgen für reichlich Licht. Die Kalkablagerungen glänzen in Weiß und Hellgrau. Ein bisschen sieht es aus wie im Alpenvorland bei Schneeschmelze. Oder auch wie eine Festung aus Baumwolle, was Pamukkale übersetzt bedeutet. Am See quaken Frösche. Etliche türkische Familien und wenige Touristen genießen den spektakulären Blick.
Tagsüber dagegen stürmen sie das Weltkulturerbe. Am frühen Nachmittag erreichen die letzten der unzähligen Ausflugsbusse von den Badeorten der türkischen Küste Pamukkale.
Pamukkale - das sind zwei Sehenswürdigkeiten für ein Eintrittsticket: Da sind zum einen die Reste des antiken Hierapolis mit restauriertem Amphitheater, Nekropole, Apollotempel und Stadttor. Und da sind natürlich vor allem die Sinterterrassen. Schon vor knapp 2000 Jahren suchten Kreislauf-, Rheuma- und Herzpatienten hier Linderung für ihre Leiden. Seine Blütezeit als Kurort hatte Hierapolis im zweiten und dritten Jahrhundert. Da ließ es sich unbeschwert im warmen Thermalwasser baden.
Seit gut 15 Jahren ist das nun verboten. Überall herumtrampelnde und badende Touristen hatten den Kalkstein schwer beschädigt. Auch heute gibt es Unverbesserliche. Ein Wächter fuchtelt mit den Armen und geht auf eine Bikinischönheit zu, die auf verbotenen Sinterpfaden wandelt. Sie wollte wohl in einer der vielen kleinen Naturbecken baden, die grün- bis himmelblau leuchten. Der Aufseher geleitet die junge Frau auf den rechten Weg zurück. In der Regel sind nur die Wege am Rande der Anlage und ein markierter Pfad begehbar.
Hier muss jeder die Schuhe ausziehen. Barfuß und vorsichtig gehen die Besucher über den glitschigen Kalkstein. Die Mischung der Besucher ist kunterbunt: Eine junge Lehrerin aus Istanbul mit knappem T-Shirt krempelt ihre Jeans hoch. Eine Türkin mit Kopftuch redet mit ihrer Tochter. Junge Leute aus den USA spritzen sich nass. Ein Vater mit blauer Baseballmütze trägt sein Kind auf dem Rücken. Die Sonne geht langsam unter und taucht die Sinterlandschaft in ein glitzerndes Silbergrau. Nur noch an den Rändern und dort, wo kein Wasser sprudelt, hat das Weltkulturerbe weiter einen unattraktiven Grauschleier. Doch der war vor 20 Jahren viel größer.
Auf die Umweltsünden vergangener Jahrzehnte hatte die Natur empfindlich reagiert. In den 1960er Jahren waren am oberen Sinterrand Hotels und eine Straße quer durch das Naturwunder gebaut worden. Die Ferienanlagen zapften die Quellen an. Teils wurde Schmutzwasser zurück auf die Terrassen geleitet. Fließt das reine Quellwasser aus Hierapolis spärlicher nach unten, führt das zu weniger mineralischen Ablagerungen (Sinter). Aus Weiß wird Grau.
Umweltschützer schlugen Alarm. Die Unesco wollte den Welterbestatus entziehen. „Zum Glück konnte das verhindert werden. Politiker und Behörden reagierten“, erinnert sich Cihan Meshur, ein Restaurantbesitzer. Seit 1996 ist Schluss mit dem wilden Baden in den Naturbassins mit dem wohlig warmen Wasser, das Kohlensäure und Kalziumkarbonat enthält. Seitdem ist auch das Begehen der Anlage streng reguliert. Wenig später wurden die Hotels abgerissen und mit Reparatur und Restaurierung der Anlage begonnen.
So schön wie in der Antike wird es zwar nie mehr werden, aber es gibt Hoffnung, dass das Welterbe in einiger Zeit überall so weiß strahlt wie noch vor 40 Jahren - nicht nur in der Nacht.