Dolomiten: Der Aufschwung Arabbas trägt den Namen Burz
Arabba. Die Morgensonne lacht, die Pistenraupen haben in der Nacht den frischen Schnee präpariert, im Hintergrund thronen die Dolomiten und es summt leise der Sessellift. Es ist einer dieser Tage zum Genießen, für die man als passionierter Skifahrer brennt.
Der Schnee fällt — anders als in der vergangenen Nacht — an diesem herrlichen Morgen in Arabba nicht in Flocken vom Himmel, sondern schaufelweise vom Dach. Auf der Skihütte mit dem merkwürdigen Namen Burz steht ein junger Mann. Mit Pullover und Lappenmütze bekleidet versucht er, das Dach des Rifugio Burz freizuschaufeln. Es ist nicht das erste Mal, dass Diego De Battista das in dieser Saison tut. Und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Die Dolomiten haben einen schneereichen Winter wie selten erlebt.
Leid tun muss einem De Battista trotzdem nicht. Immerhin ist er trotz seiner erst 26 Jahre der Chef des Bergrestaurants. Die im Dezember 2013 eröffnete Hütte liegt auf 1950 Metern und ist eine der schönsten der Dolomiten. Und sie steht exemplarisch für die Entwicklung des ganzen Dorfes: aus dem Nichts zum beliebten Touristenort.
Denn Arabba und das Tal Fodom, daran erinnern sich die ladinischen Bewohner 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wieder besonders häufig, haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Das Tal, das früher Buchensteintal hieß und zu Österreich gehörte, wurde im Krieg zum Frontgebiet. Am nahe gelegenen Col di Lana verloren 16000 Soldaten im Kampf oder durch Lawinen ihr Leben.
Die Dörfer des Fodom wurden zwar vor den Kämpfen evakuiert. „Aber als die Familien 1918 wieder zurückkehrten, war alles zerstört“, erzählt Nani Pellegrini. Der 78-Jährige war lange Zeit Vorsitzender des örtlichen Kulturvereins. Sein Vater überlebte den Krieg nur knapp. „Es sind nur zwei Häuser geblieben im ganzen Tal. Es hat zehn Jahre gedauert, bis alles wieder aufgebaut war. Und dann kam der Faschismus“, sagt Pellegrini.
Der Aufschwung begann erst in den 1950er Jahren. Und er trägt in Arabba den Namen Burz. Von Skifahren auf Sella Ronda und Marmolada war noch keine Rede, als Arabbas erster Lift - ein Einersessel - 1954 gebaut wurde. Die gleichnamige Hütte war seinerzeit kaum mehr als ein kleiner Verschlag, der von den Skilehrern genutzt wurde, die am Hang mit ihren Rennkadern trainierten. Als 1956 im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Cortina der Schnee rar war, kamen viele Sportler zum Trainieren ins schneesichere Arabba. „Da wurde die Hütte erstmals auch für die Öffentlichkeit interessant“, erzählt De Battista (Bild unten), inzwischen vom Dach gestiegen. Ende der 1950er wurde eine neue Hütte gebaut. Seit 1995 gehört sie zur „Gesellschaft“, sagt der Gastronom — und meint damit eigentlich, dass sie seiner Familie gehört.
Schon De Battistas Großmutter betrieb ein Hotel in Arabba. Als sein Vater Ugo nach 20 Jahren im Ausland in die Heimat zurückkehrte, stieg er ins Geschäft mit dem Skitourismus ein. 1973 kaufte er den Lift Burz. Ein Jahr später war er einer der Gründungsväter des Skigebiet-Verbunds Dolomiti Superski.
Heute liegt Arabba gleich in mehrfacher Hinsicht reizvoll. Die Hänge nördlich und südlich des Ortes sind Teil der Sella Ronda, des berühmten Skikarussells rund um das Sella-Massiv. Mit 1600 Metern liegt Arabba zudem sehr hoch — und ist daher ziemlich schneesicher. Wenn wie jetzt nach einem kräftigen Schneefall jede Menge Pulver auf den Pisten liegt, ist die Abfahrt vom Portavescovo ein Geheimtipp. Schwarz, steil, aber bei guten Bedingungen ein Riesenspaß für geübte Skifahrer. Wer der Versuchung widersteht und abzweigt, gelangt zur Marmolada — mit 3340 Metern die Königin der Dolomiten. Die Panoramaabfahrt ist nicht weniger lohnend.
Dass Arabba trotz der tollen Lage ein vergleichsweise kleiner Ort mit wenigen Gästebetten geblieben ist, liegt nicht zuletzt am begrenzten Bauplatz. Die Zeiten, in denen es vor allem um Expansion ging, sind aber sowieso vorbei. „Primär geht es darum, bestehende Pisten und Anlagen zu optimieren. Das heißt: schneller, leiser und weniger umweltbelastend“, berichtet Thomas Mussner, Direktor von Dolomiti Superski.
"Die Dolomiten haben in der Saison 2013/14 einen schneereichen Winter erlebt"
Auch dieses Konzept spiegelt sich in der Burz-Hütte wieder. Statt einen ganz neuen Standort zu suchen, hat die Familie De Battista die alte Hütte abgerissen und neu gebaut. Entstanden ist ein Schmuckstück mit 110 Sitzplätzen innen und 200 weiteren auf der Terrasse. 2,8 Millionen Euro hat dies gekostet. Eine Investitionssumme die verpflichtet. Aber Diego De Battista hat keine Probleme damit, sich schon in jungen Jahren festzulegen. „Mein Vater hat das 40 Jahre gemacht. Und es war schon immer mein Wunsch, das weiterzuführen.“