Extremadura - Land der glücklichen Schweine
Jerez de los Caballeros (tmn/dpa) - Aus der Extremadura stammen nicht nur einige berüchtigte Konquistadoren Spaniens, sondern auch seine edelsten Schinken. Auf der Schinkenroute sieht der Besucher monumentale Kleinstädte, weiße Dörfer, menschenleere Eichenwälder - und viel „jamón“.
Alejo Pérez Carasco ist stolz auf seine Heimat. Fast nostalgisch, als würde er diese Aussicht nicht jeden Tag haben, streift sein Blick über die weite Hügellandschaft der Extremadura. Bis zum Horizont breitet sich das Meer von Stein-, Berg- und Korkeichenwäldern aus. Dazwischen liegt seine Stadt, Jerez de los Caballeros.
Die Kleinstadt ist ein wahres Schmuckstück. Mehrere prachtvolle Kirchen aus dem 16. Jahrhundert erheben sich aus dem Labyrinth weißer Häuser und enger Gassen. Der mächtige und üppig dekorierte Turm der Kirche von San Bartolomé ist schon von weitem zu sehen. Nicht weniger prachtvoll ist die Tempelritter-Burg aus dem 13. Jahrhundert. Geschichte, wo man auch hinschaut. Jerez de los Caballeros ist die Heimat mehrerer spanischen Konquistadoren. Hernán de Soto, der Eroberer Panamas und Nicaraguas, Entdecker Floridas und des Mississippi, stammte von hier, wie auch Vasco Núñez de Balboa, der erste Europäer, der den Pazifischen Ozean gesehen hat.
Der wahre Schatz des Städtchens lagert aber in Carascos Halle auf einer kleinen Anhöhe: „jamón ibérico de bellota“, der iberische Eichelschinken. Vor allem seinetwegen kommen die wenigen Touristen aus Spanien und dem Ausland in die Extremadura. Die gesamte Region im äußersten Südwesten Spaniens nahe der Grenze zu Portugal ist berühmt für seinen Schinken. Zafra, Fuente de Cantos, Cabeza la Vaca, Segura de León, Higuera la Real und Oliva de la Frontera sind vielen Gourmets ein Begriff. Die Wiege des iberischen Schinkens ist allerdings Jerez de los Caballeros.
Zusammen bilden die Dörfer seit einigen Jahren die „Schinkenroute“. „Ich bekomme seitdem sogar Bestellungen aus Deutschland“, sagt Carasco. Schon seit 1887 lebt seine Familie von der Schweinezucht und der Schinkenproduktion. Sein „Jierrito Alejo“ ist in ganz Spanien bekannt.
Doch was macht den Schinken aus dieser Region so außergewöhnlich? Es liege an der Haltung der Schweine, erklärt Carasco, am Mikroklima auf 700 Metern Höhe mit heißen Sommern und kalten, aber trockenen Wintern. Und am Reifeprozess in den Trockenhütten.
Zwei bis drei Jahre hängen die Fleischstücke zu Hunderten an der Decke in Carascos Trockenkammer und werden vom Wind umweht. In der Kammer mischen sich die Gerüche von Gras, Schinken, Schimmel, Fett und Kräutern. Während des Reifeprozesses schwitzt der Schinken sein Fett aus, das vor allem von den Eicheln stammt, die die Schweine zu fressen bekommen. Dabei verliert er fast ein Drittel seines Gewichtes - und beginnt zu schimmeln. Auch die Schimmelkulturen tragen zum unvergleichlichen Geschmack des Schinkens bei.
Dessen Geheimnis ist aber außerhalb der Trockenhütte zu finden. „Schauen Sie doch nur mal aus dem Fenster“, sagt Carasco. „Dort hinten leben meine Schweine frei in den Eichenhainen und bewegen sich den gesamten Tag.“
Nach der Muttermilch werden die langbeinigen Schweine mit den spitzen Rüsseln und den dunklen Borsten vorwiegend mit Getreide gefüttert und fressen auf den Wiesen und Weiden Wurzeln, Knollen, Gras und Kräuter. Zwischen November und Januar ernähren sie sich dann hauptsächlich von den herunterfallenden Eicheln. „Bis zu zehn Kilo Eicheln fressen die Tiere täglich“, erklärt Schweinebauer José Antonio Macías Sánchez - und nehmen so bis zu einem Kilo pro Tag zu.
So viel Aufwand hat natürlich seinen Preis: 100 Gramm kosten zwischen 15 und 30 Euro. Deshalb nennen die Extremeños ihre Schinken auch gerne das „schwarze Gold“. In Bodegas, Restaurants und bei Produzenten können sich Besucher in die Feinheiten einführen lassen.
In romantischen weißen Dörfern wie Fregenal de la Sierra mit seiner Stierkampfarena im Innenhof der Burg erklären Hersteller die Aufzucht der Schweine, geben Kochtipps und servieren natürlich Kostproben. Auch in Zafra mit seinen weiß getünchten Kirchen, Klöstern und schattigen Säulengängen begegnet der Besucher auf Schritt und Tritt dem „schwarzen Gold“. Wie der Duft von Jasmin- und Olivenblüten liegt der Geruch von Schinken ständig in der Luft.
Auch Kurse im Schinkenschneiden werden angeboten. „Die Scheiben müssen extrem dünn geschnitten werden, wobei man die Schnittlinie möglich horizontal beibehält“, erklärt Paco García Pagador, Schinkenmeister in Feute de Cantos nahe Zafra. Mit einem langen, biegsamen Messer schneidet er kleine Scheiben von der Keule ab, die in einer „Jamonera“ eingespannt ist, ein Gestell aus Metall und Holz. Die saftigen Stücke sind so dünn geschnitten, dass man durch sie hindurchschauen kann. Glänzend hellrot mit kleinen Fetträndern liegen sie auf dem Teller.
Am besten wird der Schinken 20 Minuten vor dem Servieren geschnitten, damit er noch atmen und schwitzen kann. Dann entfaltet er sein Bouquet am besten. „Gegessen wird aber ganz rustikal mit den Fingern“, sagt Pagador im Befehlston. „Das ist hier Tradition.“