Finnisch schräg: Turku ist Kulturhauptstadt 2011
Turku (dpa/tmn) - Wenn Finnen feiern, wird es heftig. Das gilt auch für Europas neue Kulturhauptstadt Turku. Für 2011 haben die Finnen ein Programm zusammengestellt, das manchmal an einen Film von Aki Kaurismäki erinnert.
Wie wäre es mit einem Open-Air-Festival mitten im nordischen Winter? Oder einem Wrestling-Kampf mit Akkordeonmusik? Alles kein Problem in Turku. Wenn die fünftgrößte Stadt Finnlands 2011 zusammen mit Tallinn in Estland Europas Kulturhauptstadt ist, können sich Einheimische und Gäste auf jede Menge Überraschungen gefasst machen.
Denn Turku hat bewusst nicht in neue Theater und Arenen investiert, sondern in Menschen, die Kultur machen. Die Selbstironie beginnt schon beim Logo für die finnische Kulturhauptstadt. Es zeigt eine lodernde Flamme. Wieso Feuer? „Weil Turku in seiner Geschichte ungefähr 30 Mal abgebrannt ist“, erklärt Saara Malila, Sprecherin der Kulturhauptstadt. Doch die Flamme soll auch etwas Neues anfachen. Turku ist wirtschaftlich im Umbruch. Seine große Werft, einer der größten Arbeitgeber, hat keine Aufträge mehr. Kultur soll der Hafenstadt Turku neue Perspektiven eröffnen. „Culture cures“, Kultur kuriert, so heißt ein Hoffnungsslogan für 2011.
Die Macher rechnen 2011 mit zwei Millionen Touristen, sonst kommen 700 000 im Jahr. Und sie spekulieren auf den Schwung, den kriselnde Städte wie Liverpool aus ihrem Kulturjahr mitgenommen haben. „Die Kulturhauptstadt, das ist so etwas wie ein Tritt in den Hintern für Turku“, sagt Stadtführerin Karti Oldendorff. Ohne diesen Anstoß hätten viele Neuerungen zehn Jahre länger gedauert - das Kulturzentrum Logomo zum Beispiel, das in einem ehemaligen Bahnwerk entsteht.
Turku gilt in Finnland heute als Geheimtipp für elektronische Musik, möglichst hart und laut. Es steht auch für Underground-Literatur. Für Einsteiger empfiehlt sich die Kneipe „Neue Apotheke“. Hier, zwischen alten Arzneischränken und einem Verkaufstresen als Bar, lässt Turkus bekanntester Krimiautor Reino Mäki seinen Detektiv Jussi Vares die Abende verbringen.
Auf den ersten Blick ist Turku keine Schönheit. Den zentralen Marktplatz säumen lieblose 60er-Jahre-Bauten, architektonisch herrscht ein wilder Mix aus Altem und Neuem, Holzhaussiedlungen stehen neben Hochhäusern. Turkus Charme liegt woanders: Unten am Fluss, an den Ufern des Aurajoki, der das Zentrum der Stadt wie eine Lebensader durchzieht. Die Universitäten sind nahe, hier ist immer was los.
Aura nennen die Turkuer ihren Fluss liebevoll. Von Alleen gesäumt, plätschert er am neuen Bibliotheksquartier vorbei, dem zweiten Wohnzimmer vieler Turkuer, an Museen, Cafés und Designerlädchen. Der Aura ist die natürliche Kulisse für die Kulturhauptstadt. Mitte Januar - da kennt der hartgesottene Finne nichts - gibt es am Fluss die große Eröffnungszeremonie mit Feuerbildern, Lichtspektakel und Musik. Wenn es wärmer wird, folgen Schiffsparaden und Artistik, ein Trapez wird über den Aura gespannt und Menschen rollen in gläsernen Kugeln übers Wasser. Auf dem Fluss werden Saunen schwimmen, Teil des „Sauna-Laboratoriums“, in dem die Finnen ihre Leidenschaft künstlerisch interpretieren.
Einer dieser Interpreten ist Jan-Erik Andersson. Wer am Haus des freundlichen Künstlers vorbeigeht, fragt sich unwillkürlich, ob sich hier Hundertwasser, Gaudi und Pippi Langstrumpf zu einem Happening getroffen haben: Es steht auf einem Grundriss, der wie ein Ahornblatt geformt ist, hat schräge Wände, Fenster in Herzchen- und Kussmund-Form und ein gläsernes Dachgeschoss wie eine Kapitänsbrücke. Im Inneren gibt es bemalte Fußböden, achteckige Tische mit Weindepot und Lampen aus alten Hüten. „Die meisten Leute halten das nicht für verrückt“, sagt Andersson. Nicht in Turku.
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Turku im Krimi: Reijo, Mäki: Tango negro. Ein Jussi-Vares-Krimi, Piper-Taschenbuch 2009, 288 S., 6,95 Euro, ISBN-13: 3492262937.