Auf der Rhône von Lyon bis ans Mittelmeer: Eine Flusskreuzfahrt ist Entschleunigung pur Leinen los, Tempo raus

Von Claudia Kasemann

Aa-Rosa Stella Foto Claudia Kasemann

Foto: Aa-Rosa Stella Foto Claudia Kasemann

Kopf einziehen, nach oben schauen und staunen: Ganz knapp und gerade so eben scheint die A-Rosa Stella unter der gewaltigen Rhône-Brücke hindurchzupassen: Gefühlt ein halber Meter nur bleibt Platz - verblüffende Maßarbeit.

Auf dem Weg in Richtung Mittelmeer wird es nicht die einzige Unterquerung von Straßen und Schienen bleiben – doch die wichtigste Brücke für Passagiere der einwöchigen Flusskreuzfahrt ist die Gangway von der Kaimauer aufs Schiff, vom Land aufs Wasser: Auf einmal ist das Tempo raus. Eben noch quirlige Altstadtgassen und Besuchergruppen – nun Sonnendeck, Cappuccino und der weite Blick über den Fluss.

Für viele ein Plus:
Bordsprache ist Deutsch

Die Hektik des Alltags verschwindet in den Strömungsstrudeln der Rhône, die als breites, blaugrünes Band die Landschaft im Südosten Frankreichs teilt. Ein ordentliches Gefälle hat der Strom ebenfalls: 160 Höhenmeter muss die A-Rosa Stella von Lyon bis Port-Saint-Louis-du-Rhône, dem Tor zur Camargue, überwinden, und dafür 13 Schleusen durchlaufen.

Städte wie Arles, Avignon oder Lyon ohne Hotelwechsel bequem vom Fluss aus besichtigen zu können, ist für viele der rund 160 Gäste an Bord ein Reisemotiv. Und natürlich der Rundum-Service mit Vollpension und der Aussicht, sich morgens, mittags und abends am Buffet mit beliebten Klassikern bedienen zu können.

Es gibt etliche Kreuzfahrt-Anbieter auf Rhône und Saône, A-Rosa wird insbesondere von deutschen Gästen gewählt: Die Bordsprache ist deutsch, die Atmosphäre ungezwungen und familiär, Service und Mitarbeiter sind mit den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden vertraut. Unter ihnen sind viele kulturinteressierte ältere Paare aus allen Teilen Deutschlands, aber nicht nur. „Wir haben viele Stammkunden“, sagt Annika Schmied von A-Rosa, auch Familien würden sich zunehmend für Schiffsreisen interessieren.

Bei Kaffee und Cocktail kommt man an Bord schnell ins Gespräch. Manch einer kennt den anderen gar schon von früheren Reisen. Zu denen, die gern auf Europas Flüssen unterwegs sind, gehören Paare wie Renate und Harald aus dem Münsteraner Raum: „Eine Flusskreuzfahrt ist für uns praktisch, weil wir in der ganzen Reisewoche nur einmal den Koffer auszupacken brauchen.“ Ein bisschen sei die A-Rosa Stella „ein schwimmendes Zuhause mitten in Frankreich“, befindet gut gelaunt ein anderes Paar.

Von Nord nach Süd auf der Rhone: Heimspiel für den Kapitän

Vor allem aber eben auch ein mobiles Hotel: Damit am Tag Zeit für Ausflüge und Stadtbesichtigungen bleibt, wird – je nach Route – meist nachts gefahren. Schichtarbeit für die Kapitäne. Bei Schleusen-Einfahrten sei abhängig vom Wetter schon etwas Manövriergeschick erforderlich, sagt Kapitän Julien Pascalet.

Eine der größten Schleusen ist in Châteauneuf-du-Rhône, ein gewaltiger Damm, durch den die Schiffe satte 23 Meter bewegt werden. Sein Steuerhaus mit Instrumenten, Radar und GPS verlässt Pascalet dann, um die Stella manuell in Position zu bringen. Seit mehr als zehn Jahren arbeitet der Mann aus Avignon für A-Rosa, und die Begeisterung für seinen Job ist ihm anzumerken. Schon als junger Mann habe er ein Schiff führen wollen, erzählt der Kapitän und beantwortet gleich eine typische Frage interessierter Passagiere: „Nein, ein Steuerrad wie früher gibt es nicht mehr.“ Schalter, Sticks und Bildschirme bestimmen das „Cockpit“. Und ja, ein Autopilot sei vorhanden. „Aber der arbeitet nur unterstützend.“

Pascalet und sein Kollege Harold Quensiere wechseln sich auf der A-Rosa Stella ab und müssen auch stets gut aufpassen, dass bei niedrigen Brücken Sonnensegel, Mast und Steuerhaus korrekt abgesenkt werden, damit es keine unliebsame Bekanntschaft mit Beton gibt.

Ansonsten aber ist das Leben unterwegs ein langer, ruhiger Fluss, um den Titel einer französischen Filmkomödie zu zitieren. Und genau das schätzen die Gäste an Bord – es bleibt dabei viel Zeit für Ausflüge und Stadtbesichtigungen.

Künstlerische Avantgarde in Arles

Zum Beispiel im malerischen Arles, das bislang vor allem für seine Wahrzeichen aus der römischen Antike bekannt war, etwa für das monumentale Amphitheater und eine Arena, in der heute Stierkämpfe und Konzerte stattfinden. Doch seit 2014 steht die Stadt auch für künstlerische Avantgarde, die in einer früheren Industriebrache ein aufsehenerregendes Zuhause fand. „Luma“ nennt sich das Kulturzentrum, in dessen Mitte sich der spektakuläre Turmbau des Stararchitekten Frank O. Gehry erhebt. Und natürlich bleibt die Stadt für immer besonders verbunden mit einem prominenten Namen: Vincent Van Gogh schuf in Arles 1888/89 einige seiner schönsten Bilder; das Vorbild seiner berühmten „Caféterrasse am Abend“ etwa steht noch immer an der Place du Forum.

Im touristischen Avignon lohnt abseits der berühmten Brücke und der bekannten Touristenpfade zum Papstpalast ein Besuch im sehenswerten Musée Angladon mit Werken von Degas, Cézanne und Van Gogh.

Weniger bekannt, aber ebenso besuchenswert ist das Städtchen Viviers, anmutig auf einer Anhöhe über der Rhône gelegen. Auf einer von mächtigen Platanen gesäumten Allee spaziert man vom Liegeplatz der Stella direkt ins mittelalterliche Gassengewirr. Vom Vorplatz der Kathedrale aus dem 14. Jahrhundert reicht der Blick weit über Fluss, Felder und Weinberge. Viviers ist auch Ausgangspunkt für Ausflüge in die Schluchten der Ardèche, dem wilden Nebenfluss der Rhône.

Französische Küche beim Plat du Jour

Wer an Land typisch französisch essen möchte, wählt bei Stadtbesuchen in Restaurants den Mittagstisch, Plat du Jour, der für kleines Geld mitunter echte kulinarische Genüsse bietet.

Eine Fahrradtour in die Weinberge bei Tain l’Hermitage macht Lust auf einen guten Tropfen, und Wein gehört auch auf dem Schiff dazu: MaÎtre Hubertus Olbrich ist nämlich passionierter Weinkenner und bietet an Bord Verkostungen an.

Ein halbes Dutzend erstaunliche Städte und Orte, „die einem quasi auf dem Tablett serviert werden“, wie in Gesprächen gelobt wird, dazu Ausflüge und Besichtigungen – das ist das Geheimnis des Erfolgs der Flusskreuzfahrt.

Am Ende zurück in Lyon ist der Abschied herzlich, und für zwei Damen schon im Bus zum Flughafen klar: „Wir kommen wieder.“