Mit einem ganzen Friedensjahr feiern Osnabrück und Umgebung das Jubiläum 375 Jahre Westfälischer Frieden Per Steckenpferd zum Frieden
Von Claudia Kasemann
Ein Steckenpferd? Das hat man in Osnabrück schon als Kind. Und zwar im Wortsinn: Das Steckenpferdreiten ist ein ganz besonderer Brauch in der Stadt und für Grundschulkinder ein wichtiges Ereignis – womöglich ebenso wichtig wie der Einschulungstag, sicher aber noch spaßiger. Alle Viertklässler der Stadt treffen sich jeweils im Oktober mit selbst gebastelten Steckenpferden zu einem großen Umzug durch die Stadt, der sie zum Platz vor dem Rathaus führt.
„Das Steckenpferdreiten geht auf eine alte Tradition zurück“, heißt es aus Osnabrück dazu: „Seit 1953 erinnert die Stadt damit an die Verkündung des Westfälischen Friedens am 25. Oktober 1648 von der Treppe des Rathauses. Im Gedenken an dieses historische Ereignis, mit dem der 30-jährige Krieg endete, feiert die Stadt alljährlich den Friedenstag.“
Und an dem „reiten“ seit nunmehr 70 Jahren die Kinder ihre bunten Pferdchen, was nicht nur Carsten Niemeyer sehr freut. „Das ist ein Ereignis, an das man sich sein Leben lang erinnert“, sagt der Stadtkenner und Besucherführer. „So wird einmal im Jahr spielerisch ein Zeichen für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben gesetzt.“
Rathaus-Besuch: Im selben Saal wie einst Friedensreiter
Der geschichtliche Hintergrund ist in diesem Jahr in Osnabrück noch präsenter als ohnehin schon, denn 2023 jährt sich der Westfälische Friedensschluss zum 375. Mal. „Damals entstand die Idee, Europa als Friedensbund zu sehen“, erklären die Projektverantwortlichen der Stadt. Sie nicht nur zu bewahren, sondern hochzuhalten und mit Leben zu füllen, darum geht es im Jubiläumsjahr, dessen Programm „375 Jahre Westfälischer Frieden - Sieben Themen in sieben Monaten“ noch bis in den Oktober gefeiert wird. „Alle Themen eint eine Frage: Was können wir vom historischen Friedensschluss von 1648 für die Gegenwart und schließlich die Zukunft mitnehmen und lernen?“
Dazu finden sich überall in der schmucken Altstadt Orte, Ausstellungen und Aktionen. Ein Rundgang startet am besten im Friedenssaal des Rathauses. Wer ihn betritt, steht im selben Raum wie einst Friedensreiter und Gesandte, die im Oktober 1648 die Friedensverträge des Dreißigjährigen Krieges unterzeichneten. Von dort aus geht es weiter zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, zum Beispiel dem Diözesanmuseum, wo noch bis zum 5. November unter der Überschrift „Dem Frieden ein Gesicht geben“ Geschichte lebendig wird: Wo verhandelten die Delegierten damals? Wie lebten sie? Wie gestalteten sie ihre Auftritte und verbrachten ihre Freizeit?
Unbedingt empfehlenswert ist der Besuch des Museumsquartiers mit dem Felix-Nussbaum-Haus, wo just an diesem Wochenende die zum Thema Frieden passende Ausstellung “Nicht müde werden – Felix Nussbaum und künstlerischer Widerstand heute“ eröffnet wird. Anlässlich des 25-jährigen Bestehens des vom Architekten Daniel Libeskind errichteten Gebäudes zeigt die Sonderausstellung mit internationalen Leihgaben den von Nazis ermordeten Maler im Kontext der Gegenwart.
Natürlich darf bei einem Besuch Osnabrücks der wohl berühmteste Schriftsteller der Stadt nicht unbeachtet bleiben: Erich Maria Remarque. Dem Autoren des weltberühmten Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“ ist in seiner Heimatstadt eine sehr sehenswerte Dauerausstellung gewidmet.
Ob historische Innenstadt mit Dom und Stadtmauer, Museen oder Botanischer Garten: Ein Wochenende reicht gerade einmal für die allerwichtigsten Sehenswürdigkeiten Osnabrücks.
Lohnenswerter Abstecher: Schloss Iburg und der Rittersaal
Mit etwas mehr Zeit, lässt sich ein Abstecher ins benachbarte Bad Iburg einplanen. Dessen Wahrzeichen, das gleichnamige Schloss, thront unübersehbar über dem Kurort. Die Doppelanlage aus ehemaliger Residenz der Fürstbischöfe (bis 1673) und der Benediktinerabtei St. Clemens (bis 1803) wurde im 11. Jahrhundert von Bischof Benno II. von Osnabrück gegründet. Insbesondere der Rittersaal, der Mitte des 17. Jahrhunderts entstand und seit rund 40 Jahren für besondere kulturelle Veranstaltungen und Anlässe genutzt wird, ist eine faszinierende Sehenswürdigkeit. Er ist einer der frühesten Barocksäle in Nordwestdeutschland und vereint eine imposante Galerie von Bischöfen mit den Taten des Herkules, gekrönt von einem großen Deckenbild mit beeindruckender Perspektivmalerei.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg und gemäß der Vereinbarungen des Westfälischen Friedensvertrags, der in den benachbarten Städten Osnabrück und Münster ausgehandelt worden war, zog die erste evangelische Bischofsfamilie in das Schloss ein. Die Iburg war für Ernst August I. von Braunschweig-Lüneburg und seine Gattin Sophie von der Pfalz der erste Familiensitz, von dem aus die Familie Geschichte machte: Der älteste Sohn Georg I. übernahm 1714 die britische Krone. Seine Schwester Sophie Charlotte, die auf der Iburg geboren wurde und hier ihre Kindheit verbrachte, wurde später die erste Königin von Preußen.
Durch den Kneipp-Erlebnispark, vorbei am Charlottensee, geht es in wenigen Fußminuten zu einer weiteren Attraktion Bad Iburgs: dem Baumwipfelpfad. In über 30 Metern Höhe eröffnet der Waldweg durch Baumkronen den Blick auf das Schloss, Bad Iburg, das Umland und den Teutoburger Wald.
Doch zurück nach Osnabrück und zum Jahr des Friedens: Das geht in diesem und im nächsten Monat mit viel Programm in die Zielgerade.
Übrigens: Wer das Steckenpferdreiten erleben möchte, sollte sich Donnerstag, den 12. Oktober vormerken. Treffpunkt ist ab 17.30 Uhr die Innenstadt mit dem Rathaus des Westfälischen Friedens. Ein Erlebnis, das bleibt: In manchem Osnabrücker Haushalt steht noch heute ein selbst gebasteltes Steckenpferd, das an den Friedenstag erinnert, den man früher selbst einmal miterlebt hat.
Die Autorin reiste mit Unterstützung der Tourismusgesellschaft Osnabrücker Land