In Vietnams Mitte finden sich Touristenziele wie Hoi An, die Kaiserstadt Hue – und ein geschichtsträchtiger Küstenabschnitt Da Nang: Strand des Schicksals
Wuppertal · Eine frischer Brise macht den heißen Vormittag in Da Nang angenehm. Im Hintergrund erstreckt sich die Skyline der zentralvietnamesischen Millionenstadt, davor der endlos scheinende Sandstrand.
Es ist ein Küstenabschnitt mit Geschichte. Denn im Vietnamkrieg hat Da Nang über Jahre eine zentrale Rolle eingenommen: Als nördlichster Luftstützpunkt in Südvietnam und in puncto Versorgung kam der US-amerikanischen Air-Base eine große Bedeutung zu.
Die Stadt und ihre Strände waren für tausende junger Amerikaner die erste Bekanntschaft mit dem Land und nicht selten auch der Ort, von dem aus sie traumatisiert, verwundet oder tot in die Heimat zurückkehrten.
Rückkehr an den Ort
des Kriegsgeschehens
Der Krieg brachte schlimmes Leid auf beiden Seiten, mehr als 1,5 Millionen Tote und ein über weite Flächen zerstörtes Land.. Besonders blutig war die Schlacht um die Festung Khe Sanh, nordwestlich Da Nangs, vor 55 Jahren. Etwa 6000 eingekesselte Marines mussten über eine Luftbrücke versorgt werden. Umkämpft auch der Hai-Van-Pass, besser bekannt als Wolken-Pass. Ihm kam schon im Indochinakrieg eine strategisch Bedeutung zu – auf der Passhöhe befinden sich Ruinen französischer und US-amerikanischer Bunker.
In Da Nang erinnert auf den ersten Blick heute nichts mehr an das Kriegsgeschehen. Der Strand ist naturbelassen und wird sichtbar genutzt, als Treffpunkt von Nachbarn, zum Essen oder Säubern des Fischfangs. Die jungen Vietnamesen leben im Hier und Jetzt, sie nehmen Amerikaner wie Franzosen – die früheren Besatzer – vor allem als Besucher, Touristen oder Handelspartner wahr. Wer wie Frau Linh erst 1975, dem Jahr des Kriegsendes, geboren wurde, kennt von Eltern und Großeltern Kriegserzählungen, zu denen auch Flucht und Vertreibung gehören. Die Zerwürfnisse und Gräben zwischen Bewohnern und Landesteilen im Süden und Norden sind längst noch nicht überall vergessen und überbrückt.
Für amerikanische Kriegsveteranen ist Da Nang seit Jahrzehnten mehr als nur ein touristisches Reiseziel. „Sie kommen aus Sentimentalität an den Strand, weinen ein bisschen und ziehen dann weiter“, sagt Harry, der mit Linh, seiner vietnamesischen Frau, am Rande der Stadt ein Haus in Strandnähe hat. „Vielen hilft das.“ Manchen so sehr, dass sie immer wieder da sind.
Hoi An: Ein bunter
Traum der Farben
Es ist aber auch ein ganz besonders schöner Küstenabschnitt. Der Strand zieht sich von Da Nang in beide Richtungen, im Süden rund 30 Kilometer nach Hoi An, das neben der alten Kaiserstadt Hue zu den wichtigen Touristenmagneten in der Mitte Vietnams zählt.
Wenn es Nacht wird in Hoi An, schmelzen selbst hartgesottene Globetrotter dahin. Unzählige Lampions flackern an den Häuserfassaden, auf Balkonen, Brücken und den kleinen Booten, die langsam den Thu Bon River hinuntergleiten. Hoi an wirkt wie ein Realität gewordenes Klischee – fast zu schön, um wahr zu sein.
Kein Wunder, dass Hoi An als charmantester Ort des südostasiatischen Landes gefeiert wird. Auch tagsüber verzaubert das Städtchen mit einem Labyrinth aus engen Gässchen, in denen hübsche Holzhäuser, Tempel, Teestuben, Boutiquen und Märkte warten. Rikschafahrer laden zu Rundfahrten ein, während Lampion-Verkäufer ihre seidig-leuchtende Produktpalette anbieten.
Im 4. Jahrhundert vom Volk der Cham gegründet, diente die Stadt später dem Champa-Königreich als Hafen und Handelszentrum. Danach verlor sie an Bedeutung, bis sich ab dem 16. Jahrhundert Händler aus China und Japan ansiedelten. Hoi An avancierte zum wichtigsten Handelshafen des Landes und zu einem der Haupt-Umschlagsorte der legendären Seidenstraße. Später gründeten unter anderem Portugiesen, Holländer und Franzosen hier Handelsniederlassungen. Noch heute zeugen Bauwerke aus den verschiedenen Epochen von der illustren Stadtgeschichte.
Eines der bedeutendsten Zeugnisse aus der Zeit als Handelsmetropole ist die „Japanische Brücke“, das Wahrzeichen der Stadt. Chua Cau wird die überdachte Holzbrücke auch genannt, die einst das chinesische und das japanische Viertel verband. Der Bau über einen Nebenfluss des Thu Bon Rivers existiert in seiner heutigen Form seit 1763.
Durch die von dicken Holzbalken getragene Überführung zu schlendern, ist wie ein Sprung in eine andere Zeit. Nur einige Ventilatoren, die die flirrend heiße Luft zirkulieren lassen, erinnern daran, dass die Tage der alten Seidenstraße längst gezählt sind.
Eines der meistbesuchten Gebäude in Hoi An ist das Haus von Tan Ky. Hier bekommt man einen Eindruck davon, wie wohlhabende Händler im 18. Jahrhundert in Vietnam lebten.
Ein weiteres Highlight ist die Versammlungshalle der Chinesen aus Fujian: Hoi Quan Phuoc Kien. Vor mehr als 300 Jahren errichtet, wird hier Thien Hau verehrt, Meeresgöttin und Beschützerin der Seefahrer. Die lichtdurchflutete Halle ist gefüllt mit Statuen und Tierfiguren aus China. Die Luft wird von aromatischen Schwaden durchzogen.
Denn von der Decke hängen riesige rote Räucherspiralen, an denen Zettel angebracht sind. Darauf Wünsche und Nachrichten, die über den Rauch an Verstorbene geleitet werden sollen.
Die Dämmerung bricht herein und Menschen strömen zur „Bridge of Lights“ (Cau An Hoi) über den Thu Bon River. Von dort aus blickt man auf die beiden Uferseiten. Sie leuchten im Schein der Laternen.
Der Strand des Schicksals und seine Städte: Es sind Orte voller Zauber, an denen sich gut Trauern lässt - aber auch leben, lieben und feiern.