Jordanien präsentiert sich als erstaunlich vielseitiges Wanderziel. Wüste und Wadis locken – und originelle Unterkünfte Rotes Petra und Schwarze Iris

„Natürlich ist das Schatzhaus des Pharaos für uns ein Schatz“, sagt Mohammed Al Nadi, während die kürzlich betonierte Siq-Schlucht unermüdlich neue Besuchergruppen und voll besetzte Elektrowagen direkt vor der berühmten Tempelfassade ausspuckt.

Im Wadi Rum nördlich von Aqaba ist man am bequemsten wie Lawrence von Arabien mit dem Dromedar unterwegs. 

Foto: Martin Wein

Tagesbesucher nehmen für ein schnelles Foto auf Miet-Dromedaren Platz. Gruppen posieren für Selfies. Halbwüchsige werben für Postkartenbüchlein und billige Halsketten. Wer den Blick auf das Schatzhaus – der Name stammt von den hiesigen Beduinen – halbwegs ungestört genießen will, der muss rechter Hand einen steilen Hang hinaufklettern. Für einen Obolus kann man dann bei einem Softdrink von einer natürlichen Felsterrasse das wilde Treiben betrachten. Millionen Gäste kommen im Jahr – und alle wollen dieses Foto.

„Dabei gibt es in Petra viel mehr zu sehen“, sagt Al Nadi ungeduldig. Immer wieder führt er Wandergruppen durch das ausgedehnte Ruinenfeld im Bergland von Edom auf halbem Weg zwischen dem Golf von Akaba und dem Toten Meer. 800 Baudenkmale harren ihrer Besichtigung. Über einen Treppenweg und durch ein Felsengrab hindurch läuft der Guide zur sogenannten Königswand.

Dort thronen 13 monumentale Anlagen aus der Zeit des Hellenismus, sämtlich in den tiefroten Sandstein gehauen. Das Palastgrab, fast 50 Meter breit, ist mit seinen vier Toren und 18 Säulen wohl das größte überhaupt. Womöglich wurde es dem Palast von Kaiser Nero in Rom nachempfunden. Drinnen changieren die Farben des Petra-Sandsteins von Tiefrot und Violett bis zu Weiß und Rot. Auch das Theater und der riesige Tempel zeigen, wie reich die Nabatäer von Petra als Karawanenhändler auf der Weihrauchstraße wurden, auch wenn sie später römische Vasallen waren.

Über 800 Stufen geht es in der Mittagshitze weiter hinauf zum Hohen Opferplatz auf dem Jebel Attuf. Von hier oben sieht man erst, wie versteckt Petra gebaut wurde. Über Jahrhunderte blieb es in der Neuzeit praktisch vergessen. Eine zweite Wanderung führt dann am nächsten Tag durch das Wadi Kharaneeb zum abgelegenen wunderschönen Felsentempel Ad Deir, der für Tagestouristen von Kreuzfahrtschiffen bis heute unerreichbar ist.

Drei Dromedare weisen in Felsenzeichnungen den Weg

Wer indessen dem Geist der Karawanen nachspüren will, der muss raus in die Wüste. Im Wadi Rum südlich von Petra stapft Mohammed Al Nadi ohne Hut in sengender Sonne durch den ständig bewegten Sand zwischen den bizarr verwitterten Sandsteinwänden. Die Karawanen seien stets nahe der Berge gezogen, erklärt er. Ritzzeichen wiesen den Weg: Drei Dromedare bedeuten drei Tage bis Petra. Ein Wasserzeichen weist in die Gegenrichtung zum Roten Meer.

Einzelne Beduinenstämme sorgten früher für die Sicherheit der Reisenden oder mussten die Blutrache fürchten. Noch heute teilen die Großfamilien der Zawaidis und der Zalabiahs das Hochtal unter sich auf, kutschieren Touristen herum, führen Reitkamele durch die Gegend oder verpflegen zahlende Gäste mit Tee und Picknicks unter schattigen Felsüberhängen. Nomadisch lebt hier niemand mehr. In Zelten schlafen nur noch Touristen. Neuerdings sind es bevorzugt halbrunde Kuppeln wie futuristische Weltraumstationen, seitdem Ridley Scott mit Matt Damon im Tal Außenaufnahmen für seinen Film „Der Marsianer“ von 2015 drehte. Anschließend entstanden Aufnahmen für „Star Wars“ und „Dune“.

Eine noch kuriosere Unterkunft hat Mohammad „Abu Ali“ Al-Malaheem auf dem Weg nach Norden im ansonsten weitgehend verlassenen Dorf Al-Jayeh aufgestellt. Unterhalb der 900 Jahre alten Kreuzritterfeste Shobak wartet das kleinste Hotel der Welt laut Guinness-Buch der Rekorde auf Gäste. 613 Übernachtungen zählte der Hoteldirektor seit 2013.

Übernachten in
einem alten VW-Käfer

Damals hatte der pensionierte Tourguide eine Matratze in seinem schrottreifen VW-Käfer ausgelegt. Seine Tochter steuerte reich bestickte Kissen bei. „Plötzlich wollten Besucher darin übernachten“, erzählt Abu Ali. So kam er auf die Idee, etwas Extrageld für das Studium seines Sohnes zu machen. Neben seiner Wohnhöhle baute er mit einem kleinen Kredit ein Bad, eine Küche und einen Souvenirshop. Inzwischen bietet der 68-Jährige sogar Halbpension an, für maximal zwei Gäste.

Während das Tote Meer außerhalb seiner Luxus-Resorts kaum Aufenthaltsqualität bietet, überraschen die tief eingeschnittenen Täler an seinem Ostufer mit Schatten und spektakulären Formen. Mit seinen steilen, engen Felswänden in Rot- und Brauntönen macht das Wadi Numera den Slot-Canyons in Arizona mächtig Konkurrenz.

An einem kühlen Bachlauf entlang führt der Pfad immer weiter hinein, unter einem mächtigen, verkeilten Felsblock hindurch und über Eisentritte über einen bushohen Brocken hinweg. Man muss schon etwas klettern, wird dafür aber mit immer neuen Einblicken belohnt. Besonders faszinierend ist, wie das wenige Wasser das Tal ergrünen lässt, sobald sich die Felswände etwas weiten.

Weiter im Norden ist Jordanien dann richtig grün. Im Waldschutzgebiet unterhalb der Osmanenfeste Ajloun und im Biosphärenreservat im Wadi Dana blühen viele Wildblumen unter knorrigen immergrünen Eichen, Pistazien und wilden Erdbeerbäumen. Nubische Steinböcke, Stachelschweine und sogar Streifenhyänen soll es dort geben. Aber man sieht sie fast nie.

Auch Jordaniens Nationalblume, die Schwarze Iris, macht sich leider rar. Man findet sie noch seltener als das Edelweiß in den Alpen. Dafür entschädigen immer wieder spektakuläre Ausblicke für die Mühen des Wegs, die nur zu Fuß erreichbar sind. Und am Ende des Wegs wartet mit dem rustikalen Dana Tower Hotel in einem verlassenen Dorf mitten in den Bergen eine Unterkunft wie aus 1001 Nacht.

Der Autor reiste mit Unterstützung von Gebeco.