In 3000 Metern Höhe über dem Tiroler Ötztal ist zu sehen, wie ein Film mit dem Geheimagenten Ihrer Majestät entsteht Als James Bond in Sölden war

Sölden im Ötztal, eine Autostunde von Innsbruck entfernt, ist an Besucher aus aller Welt gewöhnt. Pro Jahr – vor Corona – mischen sich rund zwei Millionen Gäste im Winter und im Sommer unter die rund 3000 Einwohner der Gemeinde.

Die 007 Elements in Sölden sind auch bei Nacht spektakulär.

Foto: Bergbahnen Sölden/Christoph Nösig/Christoph Nösig

Daher fiel es auch gar nicht auf, als sich im Winter 2013/14 eine Gruppe Englisch sprechender Menschen besonders interessiert dort umschaute.

„Wir wussten zunächst  gar nichts. Nach und nach ahnten wir: Bei uns soll ein Film gedreht werden“, erinnert sich Jakob (Jack) Falkner, der Geschäftsführer der Söldener Bergbahnen. Als er mit Vertretern seiner Gemeinde zu einem Gespräch nach London eingeladen wurde, und sie sich im Beisein von Oskar-Preisträgern zu strengster Geheimhaltung verpflichten mussten, fiel das entscheidende Stichwort: 007. Scouts hatten Sölden als einen Drehort für den 24. James Bond-Film „Spectre“ ausgemacht.

Faszinierender Drehort:
das Höhen-Restaurant Ice-Q

In diesem Film, der im November 2015 Premiere hatte, spielt eine zehnminütige Winter-Sequenz in einer Privat-Klinik auf 3000 Metern Höhe über Sölden. Madeleine Swann, die hier unerkannt als Psychiaterin gearbeitet hat, wird vom Bösewicht Blofeld entführt. James Bond, diesmal im Flugzeug, rettet sie in letzter Sekunde.

Die Bond-Scouts hatten herausgefunden: Dort oben auf dem Gaislach-Kogl (3048 Meter) gibt es das nagelneue Höhen-Restaurant Ice-Q, das man wegen seiner atemberaubenden Lage inmitten der Alpen ideal  für Außenaufnahmen zur Film-Klinik umfunktionieren kann. Eine moderne Bergbahn führt dort hinauf, bei 360-Grad-Rundumsicht kann man relativ mühelos Verfolgungsjagden auf einer kurvenreichen, verschneiten Gletscherstraße filmen, und ein Straßen-Tunnel ist ideal für aufregende Schießerei-Aufnahmen.

Unten, in Sölden, gab es zudem noch ausreichend Wiesen, auf denen die Film-Karawane ihre Zelte und Studio-Container aufbauen und ihren  Verfolgungs-Fuhrpark ausrüsten konnten. In nur vier Wochen wurden 18 Gelände-Rover für den Einsatz in Eis und Schnee umgebaut: Rund 100 grobstollige  Geländereifen wurden von Hand mit je 1500 Spikes beschlagen. Auf den Dächern der Geländefahrzeuge wurden Cockpits installiert, von denen aus (für die Kamera unsichtbar) Stuntmen die Fahrzeuge lenkten. Im späteren Film sieht man nur die Schauspieler, die sich aus dem Fenstern eine Schießerei nach der anderen liefern.

„Spätestens jetzt war uns klar, dass wir auf unserem Berg eine Super-Location haben“, fasst Jack Falkner zusammen. Und in Sölden gab man sich ans Werk, etwas für die Zeit nach den Dreharbeiten (Januar bis Februar 2015) zu schaffen. Zusammen mit dem Innsbrucker  Architekten Johann Obermoser entstand „die Idee, hier oben James Bond zu manifestieren“, sagt   Jack Falkner. Der Plan, eine zweistöckige Beton-Röhre für eine hoch-technisierte 007-Erlebniswelt ins Innere des Kogels hineinzutreiben, wurde von 2016 bis 2017 umgesetzt. Im  Juli 2018 wurde die James-Bond-Erlebniswelt „007 Elements“ eröffnet. Die Betreiber legen Wert darauf, dass dies kein Museum ist, sondern eine „Cineastische Installation“.

Der Besucher hat zwei Stunden Zeit, staunend zu erleben, wie ein solcher Action-Film mit Menschenmassen-Szenen, mit abenteuerlichen Stunts mit Autos, Motorrädern und Fluggeräten zustande kommt. Am Anfang stehen einzelne Sequenzen: Etwa das (leere) Zentrum der antiken italienischen Stadt  Mateira zwischen Apulien und Kalabrien, für den jüngsten Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“. Dann ein Aufmarsch von hunderten Komparsen, eigens verkleidet und von Visagisten zurecht gemacht. Dann Aufnahmen eines Hubschraubers im Tiefflug über den Marktplatz, von  waghalsigen Motorrad-Stunts und irren Auto-Verfolgungsfahrten.

Besucher sehen
die Entstehung des Films

Alle diese Versatzstücke, in  natura an verschiedenen Orten der Handlung oder in den Pinewood-Studios in London gedreht, werden am Ende in Schichten übereinander gelegt. Der Besucher steht staunend vor einem riesigen Bildschirm und kann mit Arm- und Handbewegungen die Zwischenschritte einzeln studieren und selbst zu einem bewegten Gesamt-Werk komponieren.

Wie eine Märklin-Landschaft mutet zum Beispiel die Vorlage für die Söldener  Filmaufnahmen für „Spectre“ an, wo James Bond bei einer waghalsigen Verfolgung mit einem zweimotorigen Flugzeug in eine Holzhütte hineinbrettert und am anderen Ende unversehrt wieder herausfliegt. Die Flugzeug-Attrappe, so sieht man in der Spielzeug-Bauanleitung, hängt an zwei Seilen und wird langsam zum Ziel gezogen. Die einzelnen Positionen der Kameras sind festgesetzt. Die Bretter, die am anderen Ende der Hütte zersplittern, wenn der Film in Kino-Geschwindigkeit gezeigt wird, sind an unsichtbaren Fäden aufgehängt. Das originale Film-Flugzeug und die Installation der Splitter-Bretter sind im 007-Tempel in einer eigenen Action Hall zu besichtigen.

Im Shop gibt es
spezielle 007-Souvenirs

Wer sich für Film-Tricks interessiert, kommt voll auf seine Kosten: Uhren, mit denen 007 Explosionen ausgelöst hat, sind ebenso zu besichtigen wie Laser-Waffen und der Kugelschreiber, der in Wirklichkeit eine Bombe ist. Eine riesiges Film-Feuerwerk, so sieht und erfährt der Besucher, ist in der Sahara mit 68 Tonnen Sprengstoff, 33 Kilogramm Pulver und 8500 Litern Kerosin angerichtet und dann im Studio in die entsprechende Szene eingearbeitet worden. Edel-Autos wurden als billige Nachbildungen extra-angefertigt, bevor sie fürs Kino wieder zu Schrott verarbeitet wurden.

Ein Film-Museum, das nicht als solches bezeichnet werden will, zeigt natürlich auch Film-Ausschnitte aus den bisher 25 Abenteuern der diversen Bond-Darsteller. Der jüngste Filmausschnitt zeigt die zehn Minuten, die in Sölden gedreht wurden. Und wer das Museum verlässt, kann schnell noch eine Runde durch einen Souvenir-Shop drehen. Das Angebot reicht vom schwarzen Lederkoffer-Set für 4200 Euro bis zum Agenten-Ausweis (“Her Majesty‘s Secret Service“) mit individuellem Passbild.

Daniel Craig, der in fünf Filmen den Agenten 007 gespielt hat, wird als James Bond definitiv nicht mehr zurückkommen. Aber im Abspann seines letzten 007-Auftritts heißt es vielversprechend „James Bond wird zurückkehren“. Sölden und seine Erlebniswelt auf dem Gaislach-Kogel sind auf alles vorbereitet.

Der Autor reiste mit Unterstützung von Ötztal Tourismus.