Eine Rundreise durch Baden-Württembergs Metropolen, ihre Mundart und Dialekte. Sprachliche Anleitungen inklusive Alles außer Hochdeutsch

Wenn man sie nach ihrer Herkunft fragt, nennen sie sich Badener oder Schwaben. Ansonsten aber ist die Rivalität der Menschen im Südwest-Staat  eher folkloristischer Art – wie zwischen Rheinländern und Westfalen.

Blick auf die Fächerstadt Karlsruhe.

Foto: Baden-Württemberg Tourismus

Selbst ihre Dialekte –  alemannisch und schwäbisch geprägt, sind miteinander verwandt. „Man kann von einer baden-württembergischen Variante des Hochdeutschen sprechen“, schreibt der Germanist Karl-Heinz Göttert in seinem Standardwerk „Alles außer Hochdeutsch“. Mit diesem Titel erinnert Ba-Wü in diesen Wochen an seinen 70. Geburtstag.

Vorausgegangen waren Volksabstimmungen, als am 25. April 1952  der mehrheitlich neu gewählte Ministerpräsident Reinhold Maier (FDP/DVP) sein Kabinett präsentierte, seine Taschenuhr hervorzog und zur allgemeinen Überraschung feststellte, dass um 12.30 Uhr auch das Bundesland Baden-Württemberg gegründet worden sei. Es gab Tumulte zwischen Volksvertretern aus Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern – aber es blieb dabei. Die bedeutsame Taschenuhr ist heute im Stuttgarter Haus der Geschichte hinter Glas zu besichtigen.

Baden-Württemberg ist wie eine Wundertüte. Die Oberrheinische Tiefebene, das Neckartal und der Westen bis an die Grenze mit Frankreich gehören zu den wärmsten  Regionen – Deutschlands Süden. In den Höhenlagen von Schwäbischer Alb und Schwarzwald ist im Winter über längere Zeit mit geschlossenen Schneedecken zu rechnen, gesunde Luft und Wintersport quasi vor der Haustür.

Sie können in der Tat so gut wie alles, die Menschen im Ländle. Tüftler wie Baron Karl von Drais (Vorläufer des Fahrrads), Carl Benz (erstes Automobil) oder Robert Bosch (Magnetzündung für Gasmotoren) haben hier gebastelt, g‘schafft, geforscht. Der Unternehmer Max Himmelheber  hat 1932 aus Schreinerei-Abfällen die erste Spanplatte gepresst, und als 1984 die erste E-Mail aus Massachusetts/USA nach Deutschland geschickt wurde, war sie an einen Empfänger in der Universität Karlsruhe gerichtet.

Die Fächerstadt Karlsruhe hatte 32 Wege in die Rheinebene

Karlsruhe, die „Fächerstadt“, ist auf dem Reißbrett entstanden. 1715 legte  Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach den Grundstein für eine barocke Residenz. Hier wollte er später einmal seine letzte Ruhestätte finden –  Karls-Ruhe. Die Stadt wurde von einem Schloss mit einem achteckigen Schloss-
turm aus geplant, 32 Straßen und Wege führten fächerförmig in die Rheinebene. Karl Wilhelm ruht heute in einer Pyramide am Marktplatz. Sein Schloss und die Fächerstraßen wurden im Krieg weitgehend zerstört und nach 1945 wieder originalgetreu aufgebaut.

Karlsruhe ist eine Stadt des Rechts, der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben hier ihren Sitz. Der Volksmund sagt: „Karlsruhe hat viele Gesichter, jedes Dritte gehört einem Richter“.

Der Volksmund hat auch ein Zuhause in Karlsruhe – im Mundart-Theater „Badisch Bühn“ im Ortsteil Grünwinkel. Da wird nach bester Volkstheater-Manier erst Chaos angerichtet und anschließend wieder ins Lot gebracht: ein Streifzug durch Mentalität, Dialekt und Humor der Badener. Das klingt dann, wie wenn Freiburgs Fußballtrainer Christian Streich ein Interview im Fernsehen gibt. Und für Reigschmeggde, also Zugereiste, hängen Plakate mit Vokabel-Nachhilfe an der Wand. Man wird nie mehr vergessen: Ein „Muggebadscher“ ist eine Fliegenklatsche.

Tüfteln beginnt in der Regel mit Nachdenken. Als in den 1980er-Jahren der Individualverkehr so weit zugenommen hatte und die Bundesbahn so rote Zahlen schrieb, dass sie etliche Bahnstrecken schließen wollte, kam man in Karlsruhe auf die clevere Idee, einen Verkehrsverbund zu gründen. Gedacht, getan. Inzwischen fahren Karlsruher Stadt-Bahnen auf Deutsche-Bahn-Gleisen zum Beispiel durchs Murgtal bis nach Freudenstadt im Schwarzwald.

Die Grenze zwischen Baden und Württemberg gab es bis 1834

Die Grenze zwischen Baden und Württemberg ist heute nur noch eine gedachte Linie. Aber bei Bad Herrenalb führt ein „Klosterpfad“ entlang dieser Grenze, wo man unter anderem an einem „sprechenden Grenzhäusle“ einen Eindruck vom einstmals nachbarschaftlichen Zank der Katholischen mit den Protestanten bekommt. Der Alltag sah so aus, dass ein Postillion auf der Kutschfahrt von Baden-Baden bis zur Grenze seine badische Uniform tragen, und sie dann beim Übertritt nach Württemberg ablegen musste. Das ging so bis 1834.

Wie es früher drüben im Schwabenland zuging und heute zugeht, das kann man auf einer Stadtführung der besonderen Art erfahren. Frau Schwätzele, eine resolute schwäbische Hausfrau, bewaffnet mit Kehrwisch und Abfalleimer, schwadroniert munter über ihren Volksstamm mit dem Lebensmotto „Schaffe, spare, Grumbiere- (Kartoffeln) -salat schlotze“. Sie macht Halt unter anderem am Rathaus, in dem sie am meisten zu tun hat: „Was hier alles unter den Teppich gekehrt wird...!“ Und sie führt die Fremden in das Geheimnis der schwäbischen Kehrwoche ein: Wer mit der kleinen Kehrwochen dran ist, muss vor seinem Stockwerk die Treppe putzen. In der großen Kehrwoche wird der Keller nass ausgewischt. Frau Schwätzeles Geheimtipp: Viel Putzmittel einsetzen, dann riecht man, wie fleißig sie war.

Die Geschichte wird
im Museum in Stuttgart erzählt

Die Historie Baden-Württembergs wird in Stuttgart im Haus der Geschichte erzählt. Dafür sollte man ein paar Stunden Muße einplanen – es lohnt sich. In einem der vielen Themenbereiche können die nicht mehr ganz jungen Besucher nach Herzenslust in Nostalgie schwelgen: In Vitrinen finden sie Produkte, die jeder noch kennt und die aus dem Ländle stammen. Wie die Märklin-Eisenbahn, der Salamander mit den braunen Schuhen, die Pendel-Wanduhr von Junghans und die Steiff-Bären aus Giengen am Ostrand der Schwäbischen Alb.

Ein glückliches Zusammentreffen: Eine kleine Gruppe von Journalisten begegnete in der Schillerstadt Marbach, 30 Kilometer vor Stuttgart, den Stimmen der Comic-Figuren Äffle und Pferdle, die seit mehr als 40 Jahren mit ihren Sprüchen die Südwest-Fernseh-Zuschauer erfreuen. Heiko Volz spricht das Äffchen, ein Vielfrager, unruhig, naiv aber lieb. Volker Lang als Pferdle ist das Gegenstück – behäbig, ein G‘scheidle mit eigener Philosophie. Ein typisches Beispiel: Äffle: Isch Hochdeutsch au a Sproch? Pferdle: Zum Schreiba scho, zum Schwätze net!

Der Autor reiste mit Unterstützung von Tourismus Baden-Württemberg.