Finnland: Die weiße Wildnis Lapplands
Mit Söpö und Mosku durch den Schnee: Unterwegs mit dem Rentierschlitten im Norden des Landes.
Düsseldorf. Helppiläinen kann es kaum erwarten. Er zerrt an den beiden Leinen und Stangen, scharrt mit seinen Hufen, wirft den Kopf wild hin und her und drückt ihn immer wieder ungeduldig in den Schnee. Der Rentierbulle gebärdet sich, als wäre er von einer Hornisse gestochen.
Nur mühsam kann Rentierzüchter Martti von der Tatuka-Farm ihn vor dem Schlitten im Zaum halten. „Ihr müsst unbedingt die linke Leine festhalten. Nur so könnt ihr verhindern, dass euer Rentier die anderen überholt“ schärft uns seine Kollegin Hedi ein, als wir hintereinander mit den Schlitten auf den Start warten.
Als es endlich losgeht, springt Helppiläinen voller Freude los, schlägt gleich einen Galopp an, aus dem ihm Martti nur mühsam bremsen kann. Jerry, Jyty, Söpö („Der Schöne“) und Mosku folgen dem Leittier.
Der aufgewirbelte Schnee spritzt auf die dicke Felldecke, die uns vor der Kälte schützt. Eisiger Wind pfeift uns um die Ohren, als die Fahrt zunächst über offenes Feld führt. Wenig später ziehen die Rentiere ihre Schlitten durch tief verschneite Wälder, Äste biegen sich unter der schweren Last des Schnees. Es fühlt sich an, als wären wir mit Rudolf, dem rotnasigen Rentier, unterwegs, um Kindern Weihnachtsgeschenke zu bringen.
Angekommen im Winter-Wunderland in der weißen Wildnis Lapplands, rund 150 Kilometer nördlich des Polarkreises (der nächste Flughafen Kittilä ist 40 Kilometer entfernt), wo die Sonne im Februar tagsüber erst gegen 9.45 Uhr aufgeht und um 15.45 Uhr schon wieder am Horizont verschwindet. Wenn sie sich denn überhaupt zeigt. „70 Zentimeter Schnee haben wir jetzt am See Ylläsjärvi in der Wintersportregion Ylläs“, sagt Markus, unser Guide.
Die Winter in Finnisch-Lappland sind lang und kalt. Der Wind schickt die Temperaturen in den Keller. 17 Grad unter Null, gefühlt wie minus 25 Grad. „Das ist nicht ungewöhnlich für den Norden Finnlands. Hier oben ändern sich die Temperaturen sehr schnell. Manchmal können sie sogar auf minus 50 Grad absacken“, beschreibt Markus das Polarwetter.
„Im September oder Oktober fällt der erste Schnee. Er bleibt dann durchgehend bis Mai liegen.“ Ideal für Naturfreunde und jede Art von Wintersport: Schneemobil fahren, Skilanglauf, Abfahrt, Snowboarden, Waldski- oder Schneeschuh-Wanderungen, Rentier- und Huskysafaris, Eisangeln, Polarlichter sehen. „Wir haben viel zu bieten.“ Die 350 Kilometer Skilanglauf-Loipen werden in der Saison rund um die Uhr gespurt. Eine besondere Attraktion sind Tiefschnee-Wanderungen auf Waldskiern: Etwas breitere Ski-Bretter, mit denen man querfeldein durch die tief verschneiten Wälder rutschen kann.
Für Abfahrtsläufer und Snowboarder gibt es im Skiresort Ylläs mit 718 Meter den höchsten Berg Lapplands, von dem sie hinunter gleiten können — mit 500 Metern Höhenunterschied. 28 Liftanlagen bringen die Gäste nach oben (63 Pisten, längste Abfahrt drei Kilometer, Tagesliftkarte 36 Euro). Gedränge herrscht an den Skiliften höchstens an den Weihnachtsfeiertagen — sonst geht es eher beschaulich zu.
„Und wer will, kann zwischendurch in einer Bar oder oben auf dem Berg im Restaurant Kammi, dem höchstgelegenen Lapplands, zur Stärkung ein Rentier-Steak essen oder ein Bier trinken“, erzählt Osmo Virranniemi. Er ist Eigentümer von vier Restaurants, mehreren Hotels und Betreiber der Liftanlage. Freunde nennen ihn daher scherzhaft den „König von Lappland“.
Und weil Finnen oft für kuriose Einfälle gut sind, hat sich auch Osmo etwas Besonderes für die Gäste einfallen lassen: „Wir haben uns die einzige Saunagondel der Welt bauen lassen“, sagt er lachend und stolz über seine verrückte Idee. Bis zu vier Personen können oben in der Bergstation in die aufgeheizte Gondel einsteigen. Sie fährt dann nach unten, während man mit einem Bier in der Hand aus den Fenstern auf die Piste und die Skifahrer gucken kann. Nach etwa 15 Minuten ist die Gondel wieder zurück. Saunagang beendet. Danach können Gäste in einen warmen Jacuzzi-Pool steigen, der unter freiem Himmel für sie bereit steht.
Noch so ein verrückter Traum ist das nördlichste Eishotel Finnlands im Snowvillage, 15 Minuten vom Skiort Ylläsjärvi entfernt. Aus tausenden Kubikmetern Schnee und Eis zaubern die Erbauer jedes Jahr im Winter eine eiskalte, fast surreale Welt mit Doppelzimmern, Suiten, Bar, Eisrestaurant — das größte seiner Art in Skandinavien — und einer Eisrutsche. Sagengestalten, Tierköpfe, Traumgeschöpfe aus Schnee und Eis schmücken die Wände in den Zimmern.
Wechselndes grünes, blaues, gelbes und violettes Scheinwerferlicht taucht die Eiswelt in eine mysteriöse, märchenhafte Atmosphäre. Sogar eine Kapelle gibt es. „Vor allem Paare aus dem Ausland feiern hier gern Hochzeit“, erzählt Runa Gulliksen, die an der Rezeption die Besucher empfängt. „Kürzlich haben sich ein Australier und eine Italienerin das Ja-Wort gegeben. Zehn Gäste der Hochzeitsgesellschaft haben hinterher in den Zimmern übernachtet.“
Vor allem bei weit gereisten Gästen werde das Angebot immer beliebter, sagt die Mitarbeiterin des Snow Village. „Japaner und vor allem Touristen aus Dubai kommen immer häufiger zu uns.“
Viele Besucher reisen im Winter nach Lappland, um geheimnisvolle Himmelserscheinungen zu beobachten: Polarlichter. „Eigentlich hat man jetzt gute Chancen, die Aurora Borealis zu sehen“, so die lateinische Bezeichnung der Lichter, sagt Markus. „Der zugefrorene See Ylläsjärvi ist ein guter Ort dafür. Am besten nachts, wenn es ganz dunkel ist. Ich habe auf meinem Handy eine App. Sie zeigt genau, wann es soweit ist“, grinst er vielsagend. „Ihr müsst auf jeden Fall in der Nacht ab und zu rausgehen und nachsehen. Dann könnt ihr sie entdecken, die grünen, blauen und gelben Streifen.“
Dafür allerdings müsste der Himmel klar sein. Doch das ist er leider nicht, Schneeflocken wirbeln durch die Luft. Aurora Borealis versteckt sich tagelang hinter einer dicken Wolkenschicht. Doch das Wetter kann sich ändern — im Norden Lapplands geht das manchmal ganz schnell.
Der Autor reiste mit Unterstützung von Fintouring nach Lappland.