Wiederaufbau stockt Kathmandu ringt um sein Welterbe
Kathmandu (dpa/tmn) - Den Tempel, vor dem die Hippies so gern ihre Hare-Krishna-Lieder sangen, gibt es nicht mehr. Nur der gestufte Sockel des Maju Dega ist geblieben. An anderen Tempeln sind Stützbalken in die Ziegelmauern geklemmt.
Der Taleju mit seinem dreistöckigen Pagodendach ist eingerüstet. Am Tribhuvan Museum blättert der Putz ab, auf dem Vordach wuchern Gras und Büsche. Seit dem großen Erdbeben in Nepal 2015 hat sich niemand mehr hoch getraut.
Zwei Jahre später trägt der königliche Durbar Square noch immer die Narben der Katastrophe. Und sie werden noch lange bleiben. „Wir haben nach den Erdbeben geschätzt, dass der Wiederaufbau zehn Jahre dauern wird“, sagt Christian Manhart. „Aber es wird viel länger dauern.“ Manhart leitet das Büro der Unesco in Kathmandu, es liegt in einer ruhigen Sackgasse, eine Oase inmitten des täglichen Verkehrsinfarkts.
Mehr als 750 historische Gebäude beschädigte das Erdbeben und sein Nachbeben, 135 wurden ganz zerstört. Bisher seien weniger als zehn Prozent restauriert, sagt Manhart. Am Geld liegt es nicht. Mehr als vier Milliarden Dollar versprach die Weltgemeinschaft dem armen Nepal. Schilder in der Altstadt verkünden, wer hier Gutes tut.
„Build back better“ lautete der Slogan, den Nepals Regierung nach dem Desaster ausgab. Aber so einfach ist das nicht, allein schon wegen der Bürokratie. Archäologen müssten Projekte in Nepal öffentlich ausschreiben und stets den billigsten Anbieter wählen, erklärt Manhart, auch wenn er keinerlei Erfahrung mit Tempeln und Palästen hat. „Die alten Balken sind unheimlich delikat geschnitzt, die Figuren haben feine Gesichtsausdrücke. Das geht alles verloren, wenn man es schnell und grob macht.“
Im März 2016 beschloss Nepals Regierung, dass beim Wiederaufbau historische Materialien und Bautechniken zum Einsatz kommen sollen. Manhart schaut genau hin. Meist halten sich die Baufirmen daran. Man hat Angst, dass die ausgezeichneten vier Tempel und drei Paläste im Kathmandu-Tal ihren Welterbe-Status verlieren.
Eine sture Prinzipienreiterin will die Unesco nicht sein. Das sieht man am Stupa von Bodnath, dem größten buddhistischen Heiligtum in Nepal. Die Risse in der Kuppelbasis sind längst zugespachtelt, strahlt schneeweiß wie seit jeher. Und über den aufgemalten Augen Buddhas glänzen wieder die 13 goldenen Stufen zur Erleuchtung. Als die Erde bebte, brachen die drei obersten ab. Man entschied, den gesamten Turmaufbau zu ersetzen, stabilisiert durch vier Stahlträger im Innern. Die Unesco schritt nicht ein.
Unter flatternden Gebetsfahnen drehen heute Buddhisten aus aller Welt ihre Runden um den Stupa. Tatsächlich riss der Pilgerstrom nie ab, denn der Ort blieb heilig, selbst ohne Goldspitze. Tempel sind in Nepal eben nicht nur Kulisse für Touristen-Selfies, sondern wichtige Orte im Leben der Menschen. Beim Wiederaufbau kleinerer Tempel und Schreine sind die Einheimischen deshalb pragmatisch. Beton, Stahl und sogar Badfliesen werden verbaut. Authentizität ist für viele Nepalesen nachrangig, sie finden das Alte nicht reflexhaft schöner als das Neue, so wie es die meisten Westler tun.