Legende am Ende - Berliner Hotel Bogota muss schließen

Berlin (dpa) - Das Hotel Bogota in Berlin ist eine Institution, seit Jahrzehnten macht es deutsche Geschichte erlebbar. Trotzdem wird es aufgelöst. Mit dem Besitzer trauern Prominente aus aller Welt um das Haus am Ku'damm.

„Berlin“ wird nicht verkauft, immerhin. Das Klavier, das diesen Namen trägt, behält Joachim Rissmann. Die meisten anderen Einrichtungsstücke des Hotels Bogota, das der 50-Jährige in zweiter Generation am Kurfürstendamm führt, werden versteigert: das berühmte Che-Guevara-Foto von René Burri, ein Geschenk des Künstlers; die alten Deckenlampen aus Messing und Standuhren aus verziertem Holz. Das Hotel ist pleite. Am 1. Dezember checken die letzten Gäste aus. Es fühlt sich an, als ob ein bewohntes Museum ausgeräumt wird.

Berlin und das Bogota: Jahrzehntelang war das eine Symbiose. Aus aller Welt reisten Künstler, Musiker und Schriftsteller in das 1964 gegründete Hotel. „Wer hierherkam, war schon im Zimmer in Berlin, dafür musste er nicht einmal raus“, sagt Rissmann mit leiser Stimme. Mit den gescheitelten, dunklen Haaren und seiner runden Brille wirkt er wie ein etwas schüchterner Junge. Bei ihm gingen Prominente ein und aus. Jetzt nehmen die Besucher kollektiv Abschied.

Zum letzten Mal rücken Modefotografen ihre Beleuchtung zurecht, in Räumen, in denen bis 1938 die jüdische Fotokünstlerin Yva mit ihrem Lehrling Helmut Newton arbeitete. Eltern führen ihre Kinder durch die Zimmer, in denen die Nationalsozialisten einst Filme zensierten. Und in denen Stars wie Heinz Rühmann später den Alliierten erklären mussten, weshalb sie in Nazi-Filmen mitspielten. Die Holzvertäfelung an den Wänden ist noch dieselbe wie damals. Das Licht ist gedämpft, in den Gängen erschallen gregorianische Gesänge vom Band.

„Hier bekommt man eine Idee davon, wie sich das Leben, die Geschichte entwickelt hat“, sagt Gunnar Oertel. „Wo gibt es das heute noch?“ Der Geschäftsführer einer Naturschutzstiftung ist extra für eine Nacht im Bogota aus Bremen angereist, in ein bedrohtes Reservat. Wenn er wollte, könnte er einige Gemälde und Möbel gleich mitnehmen.

So viele Besucher spazieren durch die fünf Etagen des Hotels, dass sich die Frage aufdrängt, wie es je an Einnahmen mangeln konnte. Rissmann stützt sich traurig auf den Tisch im „Photoplatz“, umringt von seinen fotografischen Schätzen, rückt die Brille zurecht. Die Auslastung lag bis zuletzt mit fast 60 Prozent über dem Berliner Durchschnitt, sagt er.

Ja, vielleicht hätte er wie die Konkurrenz die Preise in Stoßzeiten vervielfachen sollen. „Aber das konnte ich nicht vertreten. Ich wollte berechenbar sein.“ Also hielt er fest an den 40 Euro für ein Einzelzimmer ohne Bad und Schnurtelefonen auf dem Flur. Während die Berliner Hotelbranche boomte, geriet das Bogota gegenüber der moderneren Konkurrenz ins Hintertreffen.

„Propriétaire“ steht auf Rissmanns Visitenkarte, Eigentümer. Doch das trifft nur auf den Hotelbetrieb zu. Das 1911 gebaute Haus gehört seit acht Jahren dem Investor Thomas Bscher. Als Rissmann Anfang 2013, nach einem schlechten Winter, die Miete nicht mehr zahlen konnte, kündigte Bscher ihm fristlos und ließ mitteilen: „Soll ich meine Immobilie etwa kostenlos zur Verfügung stellen?“

Bscher, ehemaliger Chef des Autoherstellers Bugatti, verfolgt andere Pläne als einem gealterten Hotel die Stange zu halten. Statt knarzender Dielen soll es bald moderne Büroräume geben, heißt es, und Luxusläden im Erdgeschoss. „Ein denkbar normaler Fall“ sei das, sagte Bscher in einem Interview.

Die Gäste des Hotels sehen das anders. Fast 7000 Menschen riefen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit im Internet und mit Unterschriften dazu auf, das Hotel zu bewahren, darunter Prominente wie Ulrich Matthes. Der britische Schauspieler Rupert Everett, ein Stammgast, bot Rissmann an, eine Übernahme des Hauses mitzufinanzieren.

Aber Bscher will nicht verkaufen. Vor Gericht einigte er sich mit Rissmann auf einen Vergleich, von 290 000 Euro Mietschulden muss der Hotelier nur 100 000 Euro zahlen. Gleichzeitig wurde das Ende des Bogota besiegelt.

Trotzdem ertappt sich Rissmann dabei, dass er Pläne entwirft, wie wenigstens Yvas Fotoatelier öffentlich zugänglich bleiben könnte. Oder die ehemalige Reichskulturkammer. Oder der Salon. Beeinflussen kann er das nicht. Rissmann lebt seit 37 Jahren im Bogota, da fällt der Abschied schwer. Dass Ilja Richter einen Dokumentarfilm über das Haus dreht, ist kaum mehr als ein schwacher Trost.

Das Gästebuch des Bogota hilft da schon eher. Es erzählt von Reisen und Begegnungen - und von Abschied: „Herrliche Erinnerungen nehmen wir mit.“ Viel mehr als das wird auch Joachim Rissmann nicht bleiben, wenn er das Haus am 16. Dezember geräumt übergeben muss. Er behält einige Sessel und Gemälde, das Klavier „Berlin“ natürlich. Berlin aber verliert ein Stück Geschichte.