Limas Leckerbissen Peru erobert die Gourmetwelt
Lima (dpa/tmn) - Manchmal stürmt Arlette Eulert in ihrem Restaurant „Matria“ selbst mit dampfenden Tellern aus der Küche. Sie serviert, setzt sich zu Stammgästen, erklärt ihre Kreationen.
Die temperamentvolle Frau hat in Madrid Kunst studiert, ist dann aber ihrer Leidenschaft gefolgt. Heute gehört sie zur jungen Garde peruanischer Spitzenköche, die ihre Landsleute mit heimischen Gerichten begeistern und die internationale Gourmetszene erobern.
„Früher wollten alle in Peru nur französische Küche, peruanische war nichts wert. Das hat sich gewandelt“, erzählt Eulert in ihrem Restaurant in Miraflores. Das feine Ausgehviertel der peruanischen Hauptstadt Lima ist der kulinarische Hotspot Südamerikas. Im Schatten der Nobelhotels an der Seepromenade hat sich zwischen Villen, Boutiquen und Markthallen die spannendste Restaurantszene südlich von Kalifornien entwickelt. Das „Matria“ liegt mittendrin.
Eulert zählt zur dritten Generation der peruanischen Koch-Avantgarde, die eine von den Stars der Szene entfachte Küchenrevolution nun in die Breite des Landes trägt. Mit guten, aber günstigen Restaurants ziehen sie auch Normalverdiener und vor allem junge Leute an.
Anführer der Revolution war Gastón Acurio. In Frankreich ausgebildet, kehrte er mit seiner deutschen Frau Astrid Gutsche nach Peru zurück. 1994 eröffneten sie in Lima „Astrid y Gastón“, die Keimzelle der peruanischen Spitzenküche. Die angesehene Rangliste „The World's 50 Best Restaurants“ ehrte den Peruaner mit dem wilden Lockenschopf Ende Juni 2018 mit dem Preis für sein Lebenswerk.
Auch dank Acurio ist das Nationalgericht Ceviche mittlerweile weltbekannt. Es gibt kaum einen Spitzenkoch, der sich nicht an einer eigenen Variante versucht. Ursprünglich war Ceviche einfach: Roher Fisch wurde in grobe Würfel geschnitten und mit der sogenannten Leche de tigre mariniert. Diese „Tigermilch“ ist extrem scharf und sauer.
Zum Glück für weniger robuste Esser erlebte Peru seit dem 19. Jahrhundert einige Einwanderungswellen. Der Einfluss ihrer Küchentraditionen ließ eine chinesisch-peruanische Küche namens Chifa und eine japanisch-peruanische Fusionsküche namens Nikkei entstehen. Dank der eingewanderten Sashimi-Experten erklomm auch das Ceviche neue kulinarische Höhen. Sie schnitten den rohen Fisch dünn auf, senkten die brutale Chili-Dosis auf ein erträgliches Maß und reduzierten die Säure durch weniger Limettensaft.
In Lima finden sich Cevicherías rund um die Plaza Mayor mit ihren prächtigen Kolonialpalästen an jeder Ecke. Ceviche wird in heruntergekommenen Buden serviert, in stylischen Pubs oder an mobilen Ständen am Strand, an dem Surfer die Wellen abreiten.
Für Spitzenköche ist Peru ein Paradies auf Erden. Von der Pazifikküste über die Anden bis hinein in die tropischen Regionen des Amazonas erstreckt sich das Land über alle Klimazonen hinweg - weshalb es auch für Reisende so vielseitig ist.
Der Pazifik füllt die Netze mit Fischen und Krustentieren, der Amazonas die Obststände der Markthallen mit exotischen Früchten und die Hochlagen der Anden die Kisten der Bauern mit einer einzigartigen Vielfalt an Getreide und Kartoffeln.
Wenn Köche irgendwo die Qual der Wahl haben, dann in Peru. In den Anden wachsen allein 3000 Sorten Kartoffeln und auch das jüngst weltweit zum „Superfood“ hochgejubelte Quinoa: eiweißreich, aber cholesterinarm. Schon die Inkas schätzten das Getreide des lila blühenden Fuchsschwanzgewächses.
„Als Koch muss ich nur hinausgehen und mit dem arbeiten, was mir die Natur bietet“, lautet das Credo des zurzeit erfolgreichsten peruanischen Spitzenkochs, Virgilio Martínez. Der Besitzer des Restaurants „Central“ in Lima ist natürlich auch ein Schüler von Acurio. Martínez zelebriert die Vielfalt des Landes mit seinem „Menú de alturas“. Das Degustationsmenü besteht aus 17 mit Höhenangaben versehenen Gängen. Aus dem Meer werden Tintenfische, Jakobsmuscheln und Seeigel serviert, aus Amazonas-Wäldern tropische Früchte und aus den Hochgebirgen Kartoffeln, Getreide und Peru-Ginseng.
In der aktuellen Rangliste der „World's 50 Best Restaurants“ rangiert Martínez auf Platz sechs. Direkt dahinter folgt das „Maido“ in Lima von Küchenchef Mitsuharu Tsumura, der ebenfalls bei Acurio gelernt hat. Der Altmeister gehört mit seinem „Astrid y Gastón“ auf Rang 39 nach wie vor zu den Top 50.
Acurio hat den Erfolg eingeläutet, zu dem auch Nobu Matsuhisa beigetragen hat. Der nach Peru eingewanderte Japaner war mit seiner japanischen Küche mit peruanischen Zutaten als Erster im Ausland erfolgreich. Matsuhisa-Restaurants gibt es längst rund um den Globus.
Die Restaurants der peruanischen Spitzenköche sind zu einem Pilgerziel von Gourmets geworden. Perus Spitzenlokale sind für internationale Verhältnisse preiswert, für einheimische Durchschnittsverdiener aber kaum erschwinglich. Ein einfaches Essen dagegen kostet nur ein paar Sol. Dazu gibt es Pisco Sour.
Wie man im Pisco-Museum in Lima lernt, wird der Cocktail mit drei Teilen des Traubenschnaps Pisco und je einem Teil Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar mit Eis gemixt. Am Ende kommt ein Spritzer Angostura-Bitter drauf.
Pisco Sour wird überall und zu allen Anlässen getrunken, ebenso wie Bier. In Sachen Wein ist Peru dagegen noch Entwicklungsland. Dabei hatte der spanische Konquistador Francisco de Carabantes schon 1540 den ersten Weinberg Südamerikas in der Nähe von Ica angelegt, wo bis heute die besten Tropfen des Landes gekeltert werden. Von Lima aus dauert die Fahrt über die legendäre Panamericana bis zu Perus Vorzeigeweingütern rund vier Stunden.
Bei den Weinen können die Peruaner mit ihrem Nachbarn Chile nicht mithalten, kulinarisch aber haben sie in Südamerika alle abgehängt. „Und wir stehen erst ganz am Anfang“, versichert die unermüdliche Eulert, bevor sie wieder in ihrer Küche verschwindet.