Pilgerpfad in Norwegen: Auf den Spuren des Heiligen Olav
Der alte Pilgerpfad von Oslo nach Trondheim ist ein Geheimtipp für Naturfreunde.
Hans-Jakob Dahl ist ein ernster Mann, und seine Augen werden noch schmaler als sie ohnehin schon sind, wenn er über Moschusochsen spricht. „Sie sehen vielleicht nicht so aus, aber sie sind definitiv schneller als ihr“, sagt er zu seiner Pilgergruppe. „Und sie können gefährlich werden!“
Ende der 40er Jahre wurde ein Dutzend der Tiere von Grönland aus ins mittelnorwegische Dovregebirge verfrachtet — 320 der Zottelviecher leben mittlerweile in der rauen Landschaft, in der auch Dahls kleine Kirche liegt.
Sie ist nicht das Herz der Gemeinde, sondern buchstäblich Zwischenstation. Dahl ist Pfarrer und begleitet Pilger auf dem Olavsweg. Eine gut 640 Kilometer lange Route, die von Oslo aus zum Nidaros-Dom nach Trondheim führt. Das Ziel der Pilger ist wie vor tausend Jahren das Grab des Heiligen Olav, das unter dem Dom liegen soll.
Noch 210 Kilometer haben sie von Dahls Kirche bis zum Dom vor sich. Die Etappe über den Dovre ist eine der härtesten des Olavswegs. Nicht nur wegen der Ochsen. „Das Wetter ist unberechenbar“, sagt Dahl. Dass es Mitte Juli noch schneit, kommt vor. „Mütze und Handschuhe gehören in den Rucksack!“
Die meisten der Pilger kommen aus Deutschland. Seit der Olavsweg Mitte der 90er wiedereröffnet wurde, steigt ihre Zahl stetig. Aber der Olavsweg, genauer gesagt sind es mehrere, ist weit von den Dimensionen des Jacobswegs entfernt. Gerade 2000 Menschen wandern jedes Jahr auf dem Olavsweg — von Kirche zu Kirche. Oder von Herberge zu Herberge. So wie jene von Ingrid Meslo in der Nähe von Rennebu. Die 39-Jährige hat den Bauernhof vor 20 Jahren übernommen und, seit 2003 der erste Pilger bei ihr nächtigte, den Umbau zur Herberge vorangetrieben.
Wie die meisten Norweger, hat sie mit Pilgern als spirituellem Erlebnis wenig am Hut. „Dennoch freue ich mich, dass es den Olavsweg wieder gibt“, sagt Meslo. Die Pilger bringen Geld und Abwechslung in das Tal, durch das sich der Fluss Orkla schlängelt. Gut drei Stunden Fußmarsch sind es von Ingrid bis zur Kirche von Rennebu.
Schilder mit einem roten Kreuz und einer stilisierten Muschel (kl. Foto) zeigen den Pilgern die Richtung. Die Holzkirche mit einer geschnitzten Jesusfigur aus dem 11. Jahrhundert öffnet nur auf Anfrage, Pilger, die auf ihrem Weg Station machen, müssen per Telefon einen Ehrenamtler benachrichtigen, der das Gebäude aufschließt.
Religion und Kirche spielen in Norwegen keine große Rolle. Dennoch sind auch Kronprinz Haakon und Gattin Mette-Marit bereits auf dem Olavsweg gepilgert. John Wanwick erinnert sich gut an den Besuch Haakons. Wanwicks Hof und Pilgerherberge liegt am Ufer der Gaula, die ganz in der Nähe in den Trondheim Fjord mündet. Er ist der Fährmann und befördert Pilger in seinem Ruderboot über den Fluss. So will es die Tradition.
Seit 1998 legt sich John in die Riemen. 50 Kronen kostet die Überfahrt, wer auf dem Hof übernachtet, muss nichts bezahlen. Geschlafen wird in einem Kornspeicher aus dem 14. Jahrhundert — das gilt für alle Pilger.
Selbst Haakon und Gattin mussten sich in eine Zwei-Mann-Koje quetschen. Wie es heißt, sind die beiden Königskinder aber nicht den gesamten Pilgerweg gelaufen, sondern nur kleine Teilstücke. Den Olavsbrief haben sie aber dennoch erhalten — weil sie 100 Kilometer geschafft haben. Auf den Spuren des Wikingerkönigs.