Reisen Salzburg zu Ostern
Wenn die Glocken aus Ehrfurcht verstummen und Palmbuschen gefertigt werden, beginnt eine Zeit voller Tradition und Brauchtum.
Salzburg — zu Ostern gleicht die barocke Residenzstadt, die Österreich mit Bayern verbindet, einer großen, bunten Wundertüte. Die Gassen, die Märkte, die Geschäfte haben ihr Frühlingsgewand angelegt. Der Flaggenschmuck signalisiert: Es ist wieder Festspielzeit. Die Gäste dürfen auswählen: große Oper oder bäuerlich-christliches Frühjahrsbrauchtum. Oder aber von allem etwas. Die Stadt summt und brummt.
Im Freilichtmuseum Großgmain, am Stadtrand von Salzburg, war schon vor Palmsonntag alles zu besichtigen und zu erwerben, was zum alpinen Osterfest dazugehört. Da ist einmal der Palmbuschen, ein Strauß grüner Zweige, auf einem Stock zusammengebunden und mit bunten Hobelspänen verziert. Benötigt werden Zweige von Haselnuss, Buchs, Wacholder, Weide, Tuja, Stechpalme und Zeder. Die bunten Bänder symbolisieren Licht (gelb), Natur (grün), Firmament (blau), die Schönheit der Frau (rosa) und Glück/Liebe (rot). Am Palmsonntag wird der Busch in der Kirche gesegnet und bleibt das ganze Jahr über als Glücksbringer auf dem Acker, im Garten oder im Wohnhaus stehen. Bis er im Jahr darauf im Osterfeuer verbrannt wird.
Helga Schöpp, Volkskundlerin
Die Stuben werden mit kunstvoll verzierten Eiern geschmückt, mit bemalten Spanschachteln, mit liebevoll bestickter Tischwäsche. Und mitten über der Festtafel schwebt der Heilige Geist in Form einer geschnitzten Taube. Volkskundlerin Helga Schöpp: „Die Salzburger nennen ihn etwas despektierlich den Suppenbrunzer.“
Landwirtschaft, Glaube, Sagenwelt — alles geht in der Zeit um Ostern munter durcheinander. Salzburgs Bischof gedenkt am Palmsonntag dem gloriosen Einzug Christi in Jerusalem, gleichzeitig aber auch dem Beginn seines Leidensweges. Im Salzburger Land muss man an diesem Sonntag früh aus den Federn. Wer als Letzter aufsteht, ist traditionell für den Rest des Jahres der „Palmesel“. Der Hintergrund: Bei den Bauern war in alten Zeiten viel Frühjahrsarbeit zu erledigen. Da zählte vor den Feiertagen jede Stunde.
Die Karwoche beginnt mit dem Gründonnerstag, an dem Christus das letzte Abendmahl hielt. Von diesem Tag an verstummen die Kirchenglocken aus Respekt vor Jesu Kreuzigung und Tod bis zur Auferstehung in der Osternacht. „Die Glocken sind nach Rom geflogen“, heißt es. Statt des wohlklingenden Geläuts hört man nur den durchdringenden Lärm hölzerner Ratschen, mit denen Kinder durch die Gassen flitzen.
Jakob Reitinger, Touristiker
In und um Salzburg geht man in der Karwoche zum „Graberl Schauen“. Jakob Reitinger vom Tourismusverband Gröding nennt das „eine barocke, morbide Tradition.“ In dem kleinen Ort, 25 Bus-Minuten südlich von Salzburg, steht eines von den sogenannten „Heiligen Gräbern“, die zum Karfreitag aufgestellt werden. „Auf diese Weise wurde den einfachen Leuten schon im Mittelalter das Leiden und Sterben des Heilandes deutlich gemacht“, sagt Jakob Reitinger. Die Gläubigen bringen die ersten Blumen aus ihrem Garten zum „Grab“. Damit wird zur Ostermesse die Kirche geschmückt.
Der gläserne Sarg mit einer Figur des gekreuzigten Herrn wird ständig von zwei unverheirateten Jungschützen bewacht. Die tragen — auch eine Tradition — französische Uniformen, wie sie Napoleons Truppen zurückgelassen hatten, als sie 1805 aus Salzburg verjagt worden waren. Die Burschen stehen jeweils eine halbe Stunde stramm wie Londoner Tower-Wächter. Dann ist Wachablösung und Pause im nahe gelegenen Wirtshaus. „Wir sind nicht nur bibelfest, sondern auch trinkfest“, sagt Reitinger. In der Osternacht, beim feierlichen Gloria, sind im ganzen Land die Glocken wieder aus Rom zurück. In Salzburg läuten sogar die beiden größten Glocken gleichzeitig: die Salvator- und die Jedermann-Glocke. Im kleinen Gröding sorgt ein Mechanismus dafür, dass die Jesus-Figur nach hinten wegklappt — das Grab ist leer, der Heiland ist auferstanden.
Salzburg ist bekannterweise eine weltweit bedeutende Festspielstadt. Herbert von Karajan, wie Mozart einer der großen Söhne dieser musikalischen Metropole, hat vor genau 50 Jahren die Tradition der Osterfestspiele begründet. Der Maestro — in Bayreuth nicht gerade auf Gegenliebe gestoßen — setzte eine gigantische Einmann-Show in die musikalische Welt. Einer seiner Mitarbeiter der ersten Stunde, der namentlich nicht genannt werden mag: „Er wollte einmal tun und lassen, was er wollte.“ So wurde 1967 Wagners Walküre auf die 100 Meter breite Bühne des Großen Festspielhauses gebracht: von Karajan selbst inszeniert, von ihm besetzt, von ihm dirigiert und auch in eigener Regie finanziert.
Zum Jubiläum gab es vergangene Woche eine „Re-Creation“ — vor dem 50 Jahre alten und mit neuer Technik aufgefrischten Bühnenbild, in einer ansonsten neuen Inszenierung. Chefdirigent Christian Thielemann und seine Sächsische Staatskapelle Dresden brachten die aus aller Welt angereisten Wagnerianer zu „großem Jubel“, berichteten am nächsten Morgen die Salzburger Nachrichten. „Diese Walküre ist nicht 50 Jahre alt, sondern auf ihre Art gegenwärtig und lebendig.“
Ostermontag wird das Wagner-Werk noch einmal aufgeführt. Wer keine der 2200 Karten für das ausverkaufte Haus hat, sollte sich vielleicht für 490 Euro einen guten Mittelplatz für das kommende Jahr besorgen. Dann steht Puccinis Tosca auf dem Programm, vor einem neuen Bühnenbild. Eine Retro-Aufführung wie die Walküre wird es nicht mehr geben. Der Intendant der Osterfestspiele, Peter Ruzicka: „Das kann man nicht wiederholen. Man muss aufhören, wenn es am schönsten ist.“