Schief ist schön
Die friesische Provinzhauptstadt Leeuwarden ist mit ihrem schiefen Turm Kulturhauptstadt.
Was Pisa hat, kann Leeuwarden auch. In der friesischen Provinzhauptstadt, die sich in diesem Jahr als Europäische Kulturhauptstadt präsentiert, steht ein alter Turm, der erstaunlich schief ist. Es ist der „Oldehove“ und er bildet das Wahrzeichen der Stadt. „Die Friesen sind sehr bodenständig und nüchtern. Aber mit dem Oldehove wollten sie hoch hinaus. Die Stadt hatte vor, eine Kirche mit einem Turm zu errichten, der mehr als 100 Meter hoch sein sollte. Denn damit wollten die Leeuwardener die nahegelegene Stadt Groningen überbieten“, erklärt Yteke van der Vegt, Pädagogin im Historischen Zentrum in Leeuwarden.
Wagemutig hatte der Baumeister Jakob von Aken im Jahr 1529 das ehrgeizige Bauprojekt auf morastigem Untergrund begonnen. Die Schwierigkeiten ließen nicht lange auf sich warten. Nach bereits zehn Metern Bauhöhe fing der Turm an, sich zu neigen. Zunächst blieben die Leeuwardener stur. Sie bauten senkrecht weiter, wodurch der Turm nicht nur schief, sondern auch krumm wurde. Nach drei Jahren und einer erreichten Höhe von 40 Metern hing der Oldehove anderthalb Meter aus dem Lot. Das Bauprojekt wurde gestoppt. So unvollendet, schief und krumm steht der Turm noch heute da. „Die Menschen in der Stadt lieben den Turm, so wie er ist“, sagt die Museumspädagogin mit funkelnden Augen und verweist auf einen beliebten Spruch in Leeuwarden: „Wenn ich den Oldehove nicht sehen kann, dann habe ich Heimweh.“
Zum Kulturhauptstadtjahr 2018 werden rund vier Millionen Besucher in der Stadt erwartet und sie alle werden dann den schiefen Turm von Leeuwarden kennenlernen. Sie können eine Stadt erkunden, die viel zu bieten hat. Dort finden sie das typische Holland-Flair mit Gassen, Grachten und Giebelhäusern. Dazu gesellt sich auch interessante moderne Architektur. Alt und Neu finden sich in dieser Stadt vielfach gekonnt kombiniert.
Seit dem Jahr 2002 steht beispielsweise der Achmea-Turm im Bahnhofsviertel und überragt weithin sichtbar das historische Zentrum von Leeuwarden. Das von dem friesischen Architekten Abe Bonnema entworfene, mit Granitplatten verkleidete Hochhaus ist 114 Meter hoch und gilt als das höchste Gebäude im Norden der Niederlande. Damit haben die Leeuwardener mehr als 400 Jahre später den anvisierten Rekord doch noch erreicht.
Schön für die Besucher der Stadt: Beide Türme, der alte und der neue, laden zum Aufstieg ein. Im Oldehove fährt ein Aufzug in den ersten Stock, dann führen Treppen hinauf auf das Dach. Das Hochhaus bietet eine Aussicht aus dem 26. Stock und damit einen fantastischen Blick auf die Stadt und bei gutem Wetter weit darüber hinaus bis zum Wattenmeer.
Der Architekt Bonnema erlebte die Einweihung des von ihm entworfenen Hochhauses nicht mehr. Er hatte zahlreiche Gebäude in Leeuwarden gebaut und hinterließ der Stadt mit seinem Testament schließlich noch ein ganz besonderes Geschenk. Er vermachte dem Fries Museum die enorme Summe von 18 Millionen Euro, unter der Bedingung, davon einen Neubau am Wilhelminaplatz zu bauen und den Architekten Hubert-Jan Henket mit dem Entwurf zu beauftragen. Der elegante Museumsbau thront heute am östlichen Ende des Platzes und fügt sich harmonisch ins Stadtbild ein.
Das Fries Museum bildet ein Zentrum des Kulturhauptstadtjahrs. Das zeigte sich daran, dass der Wilhelminaplatz der wichtigste Ort der Eröffnungsfeier war. Prominent von außen sichtbar war im Museum das Nord-Niederländische Orchester platziert, das die beeindruckende Show an dem Abend mit seiner klassischen Musik bereicherte und sich in den Sound einfügte, der unter anderem auch Blasmusik, Rap und populäre friesische Songs umfasste. Wie beim gesamten Programm des Kulturhauptstadtjahrs wurde auch hier auf die Vielfalt der Stile gesetzt. Auch im weiteren Verlauf erweist sich das Museum als ein wichtiger Ort des Kulturjahres. Es zeigt zwei große Ausstellungen zu berühmten Persönlichkeiten, die aus Leeuwarden stammen: die Tänzerin und mutmaßliche Doppelspionin Mata Hari sowie M.C. Escher, der Meisterzeichner der Illusion.
Die Ausstellung zu Mata Hari ist noch bis April zu sehen, bis sie von der Schau mit Eschers Werken abgelöst wird. Daneben ist außerdem das ganze Jahr über „Phantom Limb Art Beyond Escher“ zu besichtigen, eine Ausstellung, die Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern zeigt, die sich auf die Werke von Escher beziehen. Unterschiedliche Gemälde und Installationen sind darin vereint.