Österreich Süßer Punsch und eine lange Tradition

In Tirol ist die stade, die ruhige Zeit vor Weihnachten, besonders besinnlich. Nur einer muss draußen vor der Tür bleiben: der Weihnachtsmann.

Der stimmungsvolle Einzug der Lichtbringer.

Foto: Grießenböck

Stellen Sie sich einmal vor: Von November bis Mitte März bekommen Sie kein direktes Sonnenlicht zu sehen, weil ein Berg im Weg steht. Die Bewohner von Österreichs kleinster Stadt, Rattenberg am Inn, werden damit seit alten Zeiten auf ihre Weise fertig: Sie holen sich ihr Licht mit Kerzen und knisternden Feuertöpfen in ihre mittelalterlichen Gassen. Projekte, die wärmenden Strahlen mit großen Spiegeln einzufangen, wurden in jüngster Zeit als unbrauchbar und unbezahlbar verworfen.

Licht und Feuer  – in Rattenberg, benannt nach einem bayrischen Fürstengeschlecht, das dort vor tausend Jahren gewohnt hatte, spielen sie vor allem in den Wochen vor Weihnachten eine ganz besondere Rolle. Wenn schon, dann auch traditionell: Blinkende Lichterketten sind verpönt, elektrische Jingle-Bells-Musik desgleichen, und wenn am Samstag vor dem ersten Advent die Prozession der Lichtbringer offiziell die Vorweihnachtszeit einläutet, dann freut sich das Städtchen aufs Christkind. Und der Weihnachtsmann bleibt draußen vor dem Tor.

Adventswein aus
Holunderbeeren und Anklöpfler

Der Weihnachtsmarkt in Rattenberg gehört, auf Augenhöhe etwa mit dem Markt am Goldenen Dachl in Innsbruck oder den Märkten in Seefeld und  Kitzbühel, zum freiwilligen Verbund „Advent in Tirol“. Der setzt auf Tradition: überlieferte Musik, regionales Warenangebot, regionale Küche. In Rattenberg  zum Beispiel trinkt man Adventswein aus Holunderbeeren. Und erfreut sich am  bunten Kristallglas-Schmuck, den seit Jahrhunderten kunstfertige Glasbläser herstellen.

Seit alten Zeiten ziehen im Advent im Tirolischen sogenannte Anklöpfler durch die Gemeinden – kleine Gruppen von mehrstimmigen Musikanten, die die Botschaft der „staden“, der wunderbar ruhigen Zeit am Jahresende, von Haus zu Haus tragen: Weihnachten ist täglich, wo man sich kennt, sich versteht und sich hilft. Und wo man am Feierabend beim Hoagaschtn (Nachbarschaftstreffen) gemütlich beisammen sitzt, musiziert und miteinander plaudert.

Grausige Gestalten ziehen mit
viel Getöse durch die Straßen

Aber es geht auch anders. Schließlich muss der Winter ausgetrieben werden. Das besorgen die Perchten, grauslige Gestalten, die um Nikolaus herum  mit viel Getöse durch die Lande ziehen. Schon im Herbst richten die einzelnen Passen, wie dort die Gruppen junger Berschtl (Burschen) heißen, ihre Kostüme her. Aus Zirbenholzklötzen werden furchterregende Fratzen herausgesägt, aus Tierfellen und gekämmten Maisblättern werden Gewänder angefertigt. Und damit es auch ordentlich scheppert, werden ehemalige Auto-Benzintanks vom Schrottplatz zu dumpfen Trommeln umfunktioniert.

Breitenbach am Inn ist eine Hochburg des Perchten-Brauchtums. Die ländliche Gemeinde im Bezirk Kufstein hat knapp 3500 Einwohner, 48 solcher Perchten-Gruppen mit jeweils um die 15 Mitgliedern – und fünf Maskenschnitzer.  Einer davon,  David Ruprechter,  ist in der zweiten Generation Holzschnitzer. „Ja, bei uns wird das Brauchtum noch gelebt“, sagt  der Mann, der hauptberuflich Bildhauer ist wie sein Vater. „Aber die, die es leben, werden immer weniger.“ Früher zogen die Hexen und die Hupfer mit ihren Glocken, die Trommler und die Bläser noch vor jedes Haus. Heute nur noch zu den eingesessenen Bauern und Gastwirten. Und der Nikolaus, in Begleitung des Respekt einflößenden Krampus und des alles wieder gut machenden Engels, tritt überwiegend nur noch im privaten Umfeld auf.

Eine der schönsten Städte in ganz Österreich ist die alte Salz- und Silberstadt Hall in Tirol, nur zehn Kilometer von Innsbruck entfernt. Auch hier gilt das adventliche „Reinheitsgebot“ – man trinkt süßen Punsch, isst Kiachl (Küchlein) mit Grangln oder Grantln (beides Preiselbeeren) und auch Würstl. Pommes gibt‘s nicht.

Erst zur Krippe,
dann etwas Hochprozentiges

Überall in der Stadt ertönen die getragenen Weisen der Bläsergruppen. Die mittelalterlichen Altstadt-Häuser sind festlich mit Adventskalender-Zahlen beleuchtet, jeden Tag wechselt eine weitere Zahl von warmweiß auf bunt. Und am Samstagabend dürfen die kleinsten Besucher auf Ali über den Marktplatz reiten – zwischen den Höckern eines leibhaftigen Kamels.

Wer als Besucher in Hall war und das überwältigende Innere der barock ausgemalten Pfarrkirche St. Nikolaus nicht gesehen hat, hat ein absolutes Highlight verpasst. Die Haller freuen sich jedes Jahr auf einen ganz speziellen Weihnachtsbrauch: das Krippele-Schauen. Nachbarn und Freunde besuchen sich und bestaunen, was in diesem Jahr neu in Klein-Bethlehem ist und welche Figuren hinzugekommen sind.

Zum Abschluss gibt es ein hochprozentiges „Gloria-Wasser“ zu trinken, einen Schnaps. „Man prostet man sich mit einem fröhlichen Gloria zu“, schildert Stadtführerin Janine Heissl. „Nach dem achten Krippenbesuch bekommt der eine oder andere dann nur noch ein gemurmeltes Halleluja heraus.“

Der Autor reiste mit Unterstützung der Tirol Werbung.