Vollgas mit Caruso und Snoopy
In Kärnten geben einmal pro Jahr Schlittenhunde den Ton an.
Kärnten. Sie hüpfen aufgeregt auf und ab, bellen, was das Zeug hält, und zerren nervös am Zuggeschirr. „Fünf, vier, drei zwo, eins — und go!“, ruft Musher Gerald Schinzel und sofort setzt sich das Schlittenhundegespann in Bewegung. Ich sitze ganz gemütlich im sogenannten Schlittensack und bin der einzige, der in den kommenden 20 Minuten nichts zu tun hat. Außer ein paar Fotos schießen. Schinzel, vierfacher Schlittenhunde-Europameister, und seine vierbeinigen Gefährten hingegen müssen ziemlich ackern. Dennoch ist die kurze Ausfahrt für sie nur ein kleines Warm-up. Ob ich nicht zu schwer bin für die Tiere? „Dein Gewicht macht den Hunden überhaupt nichts aus“, ruft der drahtige Mann aus dem Burgenland, der hinter mir auf den Kufen steht.
Vorn traben acht Sibirian Huskies mit hängender Zunge. Es geht leicht bergauf. Zierlich sehen die Hunde mit ihren 20 bis 25 Kilogramm aus. Doch Snoopy, Shaggy, Caruso und Co sind regelrechte Kraftprotze. Der Popeye unter ihnen läuft an letzter Position des Gespanns — also direkt vor meiner Nase. „Junior hat bei einem Wettbewerb ganz allein einen 335 Kilogramm schweren Schlitten gezogen“, erzählt Schinzel stolz. Ganz vorn laufen seine beiden Leithunde Ornella und Allegra. Mit 13 und elf Jahren zwei sehr erfahrene Hündinnen, die schon viele erfolgreiche Rennen bestritten haben.
Das Wichtigste für die beiden Leader ist, dass sie die Kommandos des Mushers umsetzen. „Gee“ (gesprochen Tschi) heißt rechts, „Haw“ (Hoh) steht für links. Begriffe aus der Eskimo-Sprache, die sich international durchgesetzt haben. „Meine Hunde sind in Österreich aufgewachsen. Aber Gee und Haw verstehen sie seit ihrer Geburt.“
Plötzlich ändert sich der Laufstil des vierbeinigen Energiebündels Junior vom lockeren Trab in einen komisch anmutenden, breitbeinigen Gang: Der Husky muss mal. Mitten auf der Strecke, einfach so beim Laufen. Kleine braune Bröckchen fliegen mir um die Ohren. Ich bin froh, mein Gesicht mit Mütze, Sonnenbrille und Schal geschützt zu haben. „Wenn die Hunde loslaufen kommt eben der ganze Organismus in Bewegung“, sagt Schinzel lachend und schlägt mir freundschaftlich auf die Schulter.
Der Musher wird wenige Stunden später beim Iron Sleddog in Innerkrems teilnehmen — einen Teil der Strecke testen wir schon jetzt. Der Kärntner Skiort, in dem die alpinen Skistars der österreichischen Nationalmannschaft einen Großteil ihres Trainings absolvieren, ist die Dritte von vier Etappen für die Schlittenhunde. Kommt man bei allen vier Wettbewerben ins Ziel, darf man sich „Iron Sleddog Man“ nennen. Auch die teilnehmenden Frauen. Es ist so etwas wie die Vierschanzentournee der Musher. Wer beim Sleddog-Rennen teilnimmt, muss sich auf körperliche Höchstleistung einstellen. Die Musher müssen kräftig mitarbeiten beim anspruchsvollen Auf und Ab durch die Winterlandschaft.
Vom Start führt die Strecke zehn Kilometer nur bergan. 500 Höhenmeter später geht es über den Grünleitennock mit mehr als 2100 Metern einer der höchsten Gipfel der Region. Die letzten paar hundert Meter geht es so steil den Berg hinauf, dass Fahren absolut unmöglich ist. Die Musher müssen runter vom Schlitten und schieben, um die Hunde zu unterstützen, die unermüdlich den Berg hinauf ziehen.
Keine Zeit für das herrliche Panorama und für den fantastischen Rundum-Blick, denn nur wenige Meter weiter geht es genauso steil wieder bergab. Innerhalb weniger Sekunden haben sich die Hunde von dem heftigen Anstieg erholt und geben auf der Abfahrt richtig Vollgas. Ihren Vorwärtsdrang bremsen — kein leichtes Unterfangen für die Schlittenlenker. Selbst, wenn sie kräftig auf die Bremsplatte treten, die zwischen den Kufen montiert ist.
„Hey Billy! Ja, bist du deppert?“, schimpft Musher Wolfgang Brantner mit seinem Leithund, der plötzlich die Richtung ändert. Der Schlitten kippt, Brantner stürzt kopfüber in den Schnee. „In den Hunden steckt man eben nicht drin“, schmunzelt Schinzel, der mich jedenfalls unversehrt wieder zurückbringt.