Ganz schön romantisch Auf Hochzeitsreise mit Caspar David Friedrich
Greifswald (dpa/tmn) - Die riesigen alten Buchen lassen ihre ausladenden Äste weit über den Abgrund der Steilküste ragen. Unten schimmert die Ostsee in hellem Graublau, das sich nur in Nuancen von dem des Himmels unterscheidet.
Hellweiß hebt sich der Königsstuhl davon ab. Für diesen Anblick kommen jedes Jahr Hunderttausende Besucher an die Kreidefelsen von Rügen. Caspar David Friedrich war schon hier, als die meisten Menschen in Deutschland noch gar nicht wussten, wo Rügen liegt. Im Sommer vor 200 Jahren kam er mit seiner jungen Frau Caroline bei ihrer Hochzeitsreise auf die Ostseeinsel. Sie stammte aus Dresden und kannte Rügen auch nicht. Der Maler wollte ihr zeigen, warum die Insel für ihn die schönste der Welt ist.
Mit seinem Bruder Christian und dessen Frau Elisabeth waren Caspar David Friedrich und Caroline im August für knapp eine Woche dort. Einige seiner wichtigsten Gemälde verdankt er dieser Reise. „Kreidefelsen auf Rügen“ zum Beispiel. Immer wieder wollen Touristen wissen, an welcher Stelle das Paar gestanden hat. „Aber die Stelle gibt es nicht“, sagt Christine Krohnfuß bei ihrer Führung rund um den Königsstuhl. Der berühmteste Maler der deutschen Romantik hat die Felsformation mit viel Fantasie dargestellt. „So bizarr, wie er sie gemalt hat, waren sie nie zu sehen“, sagt Krohnfuß, die für das Nationalpark-Zentrum Königsstuhl arbeitet.
Der japanische Künstler Hiroyuki Masuyama hat hier etliche Fotos gemacht - für seine Interpretation der „Kreidefelsen auf Rügen“. Dutzende davon hat er in einem aufwendigen Verfahren so zusammengesetzt, dass sein Bild die Szene aus dem Original von Caspar David Friedrich zeigt, nur die Menschen darauf sind erkennbar andere - rechts im Bild ist nun der Fotograf zu sehen.
Masuyama stellt das Bild in diesem Sommer im Nationalpark-Zentrum aus, gleichzeitig gibt es 20 weitere Fotocollagen zu Caspar-David-Friedrich-Motiven in der Galerie Circus eins in Putbus zu sehen - sowie ein weiteres im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald.
Dass der Maler, der schon lange in Dresden lebte, im Januar im Alter von 43 Jahren die fast 20 Jahre jüngere Caroline Bommer geheiratet hatte, erfuhr seine Familie im Norden erst hinterher. Und so war die Reise vom 13. Juni bis 31. August vor allem eine Gelegenheit, seine „Lina“ ihren neuen Verwandten vorzustellen. Flitterwochen in der Honeymoon-Suite waren es eher nicht.
„Das war nicht so romantisch, wie wir uns das heute vorstellen. Er zeichnete die ganze Zeit“, sagt Susanne Papenfuß, Leiterin des Caspar-David-Friedrich-Zentrums, das mitten in der Altstadt an der Stelle seinen Platz hat, wo einst das Geburtshaus des Malers stand und heute eine sehenswerte Ausstellung daran erinnert. Zumindest in Greifswald hat er die Skizzenbücher auch mal in der Reisetasche gelassen und sich Zeit für seine Verwandten genommen. „Viele seiner Bilder legen den Schluss nahe, er sei ein düsterer Melancholiker gewesen“, sagt Papenfuß, „aber er war auch ein Familienmensch.“
Sein Leben änderte sich nach der Heirat spürbar: „Es ist doch ein schnurrig Ding, wenn man eine Frau hat“, berichtete er in einem Brief an seine Brüder. „Meine alte, einfache häusliche Einrichtung ist in manchem nicht mehr zu erkennen, und es ist mir lieb, dass es jetzt sauberer und netter bei mir aussieht.“
Literatur:
Reinhard Piechocki: Die Malerinseln Rügen, Vilm, Hiddensee. Von Friedrich bis Feininger. Rügendruck, 167 Seiten, 29,90 Euro, ISBN-13: 978-3-9813568-4-7