Vom billigen Kerosin kommt nur wenig bei den Passagieren an
Frankfurt/Main (dpa) - Die Fluggastzahlen in Deutschland steigen, immer mehr Verbindungen werden angeboten. Die Fluggesellschaften werben mit immer neuen Sonderangeboten, doch wirklich billig ist längst nicht jeder Flug.
Dabei ist in den vergangenen Monaten der Kerosinpreis deutlich gefallen.
Wie haben sich die Preise für Kerosin entwickelt?
Dem Airlineverband IATA zufolge kostete das Kerosin Anfang Februar 2016 rund 40 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Spritrechnung macht bei Flugreisen nur einen Teil der Gesamtkosten aus, Experten schätzen zwischen 25 Prozent bei Netzcarriern wie Lufthansa und 40 Prozent bei ausgesprochenen Billiganbietern, die also von sinkenden Kerosinpreisen stärker profitieren. Am meisten sparen Fluggesellschaften, die in US-Dollar abrechnen, mit dem auch das Kerosin bezahlt werden muss. Die Europäer stellen sich wegen des schwachen Euro etwas ungünstiger.
Und die Ticketpreise sind auch gesunken?
In der Tendenz schon, wenn auch nicht überall. Weltweit seien die Tarife im vergangenen Jahr um rund 5 Prozent zurückgegangen, berichtet die IATA. Die Flug-Suchmaschine Kayak hat bei den Millionen Preisabfragen ihrer Nutzer in den vergangenen zwei Jahren nur für innerdeutsche Flüge einen Preisrutsch um etwa 15 Prozent registriert. Bei internationalen Flügen seien die Preise „de facto konstant“ geblieben, sagt Firmensprecher Jan Valentin. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat in seinem Monitor für Billigflüge in Deutschland zuletzt im Herbst 2015 deutlich gesunkene Preise zwischen 45 und 115 Euro festgestellt. Im Jahr zuvor reichte die Spanne noch von 70 bis 140 Euro. Am teuersten ist es weiterhin dort, wo nur eine Gesellschaft eine gefragte Verbindung bedient.
Die Fluggesellschaften behalten den Preisvorteil also für sich?
Im vollen Umfang gibt bislang wohl keine Gesellschaft ihre Ersparnis weiter. Trotz der schon 2015 stark gesunkenen Ölpreise hat etwa der Lufthansa-Konzern die Netto-Erlöse pro Sitz in den ersten drei Quartalen des Jahres leicht um 2,1 Prozent gesteigert, erst durch den Währungseffekt drehte sich das Bild auf ein Minus von 3 Prozent. Während Lufthansa auf einen Rekordgewinn zusteuert, hat auch Konkurrent Air France erstmals seit acht Jahren wieder schwarze Zahlen vorzuweisen. Das dürfte so weiter gehen: Im laufenden Jahr will Lufthansa trotz steigenden Bedarfs 800 Millionen Euro weniger für Kerosin ausgeben als 2015.
Warum haben die Passagiere so wenig von den sinkenden Kosten?
Welcher Anteil der Ersparnis an den Kunden weitergegeben wird, entscheidet der Markt, also Angebot und Nachfrage. Einen Anspruch der Kunden auf sinkende Preise bei sinkenden Kosten gibt es jedenfalls nicht, sondern nur sehr genaue Analysen der Gesellschaften zur aktuellen Buchungslage jedes einzelnen Fluges mit sich permanent ändernden Angebotspreisen. „Easyjet hat ein nachfrageorientiertes Preissystem. Das bedeutet, dass unsere Preise widerspiegeln, was Kunden bereit sind für unsere Flüge zu bezahlen“, hat es der britische Billigflieger mal auf den Punkt gebracht.
Müsste nicht der Kerosinzuschlag sinken?
Der spielt eigentlich keine Rolle mehr. In Zeiten starker Ölpreissteigerungen erfunden, ist der Zuschlag für die Fluggesellschaften inzwischen längst zu einer internen Rechengröße geworden. Zum Verbraucherschutz haben die Aufsichtsbehördendurchgesetzt, dass nur mit dem Ticket-Endpreis geworben werden darf und dieser auch bereits zu Beginn des Buchungsprozesses gezeigt werden muss. Mit diesem Preis stehen die Fluggesellschaften im Wettbewerb, wie viel davon in die Tanks fließt, erfahren viele Kunden gar nicht mehr. Viele Gesellschaften haben den Kerosinzuschlag ganz abgeschafft oder mit anderen Preisbestandteilen zusammengefasst. Eine Rolle spielt das noch bei der Erstattung nicht genutzter Tickets. Da kann sogar ein besonders hoher Kerosinzuschlag vorteilhaft für die Kunden sein, weil er zweifelsfrei erstattbar ist.
Was machen die Fluggesellschaften mit den steigenden Gewinnen?
Nach schwachen Jahren investieren sie in ihre Flotten, schütten Dividenden an ihre Anteilseigner und Prämien an ihre Mitarbeiter aus oder verschärfen den Wettbewerb, indem sie neue, bislang geschäftlich zu riskante Strecken anbieten. Wenn beispielsweise Ryanair auf der innerdeutschen Rennstrecke Köln-Berlin den Platzhirschen Eurowings und Air Berlin direkte Konkurrenz macht oder die Air-France-Tochter Transavia von München im Sommer wöchentlich 100 Flüge zu europäischen Zielen startet, sinken dort tendenziell die Preise.
Welche zusätzlichen Preis-Strategien entwickeln die Airlines?
Auch die etablierten Gesellschaften haben nach dem Vorbild der Billigflieger die Ticketpreise in der Economy-Klasse in viele Einzelteile zerlegt. Der Frontpreis im Internet spiegelt bei den meisten Fluggesellschaften nur noch die reine Beförderung des Passagiers von A nach B. Sitzplatzreservierung, bessere Verpflegung, schnelles Boarding, aufzugebendes Gepäck, Lounge-Nutzung: Alles kostet extra oder ist in höherpreisigen Ticketstufen gebündelt.