Digitale Verunsicherung Von Störern, für die wir nicht haften können
Vorschlaghammer und Stemmeisen leisten gute Dienste beim Umbau. Da ich die Abbruchutensilien nicht ständig brauche, verleihe ich sie gerne. So gehen Hammer und Eisen bei Freunden, Kollegen und deren Bekannten von Hand zu Hand, ohne dass ich weiß, wer sie nutzt.
Kein Problem.
Ganz anders bei meiner Internetverbindung. Gerne würde ich meinen DSL-Anschluss teilen, mit Nachbarn, Besuchern und auch Fremden, die sich von draußen einloggen. Mein privates Netz bliebe unberührt, da mein WLAN-Router einen eigenen Gastzugang bereitstellt. Unterwegs würde ich dann den gleichen Komfort nutzen, so wie ich mir Werkzeuge leihe, die ich nicht dauernd brauche. Doch dem kollektiven Netz schiebt der Gesetzgeber seit Jahren einen Riegel vor: Nicht auszuschließen, dass über das Internet Rechtsverletzungen erfolgen, beispielsweise der Download von Filmen, Musik und Büchern, die dem Copyright unterliegen. Daher soll der-
jenige haften, den man identifizieren kann, also nicht surfende Passanten, sondern die Inhaber offener Funknetze: Wir haften für anonyme Störer.
Das kommt mir vor, als sei ich schuld, wenn ein Ausleiher meines Werkzeugs es zum Einbruch statt zum Abbruch nutzt. Nur weil ich nicht Buch führe über die Nutzer und sie nicht vor Missbrauch warne. Was im echten Leben absurd, ist im Internet das erfolgreiche Geschäftsmodell der Abmahnhorde. Um ihnen das Handwerk zu legen, müsste das Urheberrecht gerecht, transparent und einsichtig gestaltet werden.
Dass nun ein Gesetzentwurf vorliegt, der die Störerhaftung beschränkt (nicht aber abschafft), ist verstörend: Sind doch im Gesetz Einschränkungen vorgesehen, die dem Anwender den Zugang erschweren und vom Anbieter erhöhten, privat kaum realisierbaren Aufwand fordern, wie die Verschlüsselung der Verbindung und die Eingabe von Nutzernamen. Unklar bleibt, wie redlich mit digitalen Inhalten umgegangen wird. Sich im eigenen WLAN auf dem Gast-Account anzumelden, um ungestraft zu surfen, bleibt eine Lösung für Winkeladvokaten. Für einen massiven Umbau im Internetrecht braucht es mehr als Stemmeisen und Vorschlaghammer.