Der Krimi in Deutschland
Über Krimis wurde in Deutschland lange die Nase gerümpft. Heute gibt es sehr erfolgreiche Autoren.
Düsseldorf. „Der Krimi war lange Zeit Deutschlands literarisches Schmuddelkind“, sagt Christian Klein von der Uni Wuppertal. Zu trivial, zu banal. Spät hat sich die Spannungsliteratur zum Kassenschlager gemausert — und das richtig: Nach der erzählenden Literatur sind Krimis und Thriller in Deutschland die umsatzstärkste Sparte der Belletristik. Gelesen werden allerdings mehr Importe als Schocker aus deutschen Federn.
Ohne Krimi geht die deutsche Mimi zwar nie ins Bett, aber: Der Krimiautor stammt häufiger aus England, den USA oder den skandinavischen Ländern als aus heimischen Gefilden. Sherlock Holmes, Agatha Christie, Kurt Wallander und Kommissar Maigret jagen in hiesigen Wohnzimmern, Betten und Straßenbahnen die bösen Jungs. Dabei sind auch deutschsprachige Autoren (egal ob aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz) einen Blick wert.
„In Deutschland hat das Krimi-Genre erst relativ spät an Reputation gewonnen und nachhaltige Bedeutung für den Buchmarkt erlangt. Besonders dazu beigetragen hat Anfang der 1960er Jahre der Rowohlt Verlag mit seiner Thriller-Reihe“, weiß Literaturwissenschaftler Klein. „Rororo Thriller“ hieß die Reihe des großen Verlages damals, in der 1965 auch das erste Buch, Hansjörg Martins „Gefährliche Neugier“, erschienen ist. Der Autor sollte sein ganzes Schriftstellerleben lang dieser Reihe treu bleiben. Später in den 1970er Jahren etablierte sich dann der Soziokrimi, den praktisch das schwedische Autorenduo Maj Sjöwall und Per Wahlöö ins Leben gerufen haben. „Das ist eine Variante, die bis heute großen Einfluss auf dem deutschen Krimimarkt hat. Nicht nur im Buchwesen, sondern auch im Fernsehen, wie die ,Tatort’-Reihe zeigt“, sagt Klein.
Ein prägender Autor: Horst Bosetzky. Der auch unter dem Pseudonym „-ky“ schreibende Autor hat in seinen Romanen (unter anderem „Zu einem Mord gehören zwei“ von 1971 und „Fahnenflucht“ von 2013) immer eine große Portion Sozial- und Gesellschaftskritik untergebracht. „Ähnlich schreibt auch der Schweizer Martin Suter, weil er seine Kriminalfälle mit Mileustudien verbindet“, sagt Klein. Suter gehört heute zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern, darunter auch Namen wie Friedrich Ani (der gleich mehrere Jahre in Folge mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde) und Gisa Klönne. Einen der seltenen Mega-Erfolge unter den deutschen Krimiautoren feierte 2006 Andrea Maria Schenkel mit „Tannöd“.
Einen wahren Hype erleben in den vergangenen Jahren die Regionalkrimis. Lokalkolorit mit Grusel- und Rätselfaktor zieht die Lese-Massen. „Die ersten gab es in den 1980er Jahren. Sie haben mit dazu beitragen, dass es einen ,Boom’ an deutschsprachigen Krimis gibt“, sagt Klein.
Die Geschichte zwischen der Kriminalliteratur und den Deutschen hat natürlich nicht erst in den 60er Jahren angefangen. Aber wann dann? „Das ist natürlich eine Frage der Auslegung. Die Frage dabei ist: Was ist ein Krimi? Schillers ,Verbrecher aus verlorener Ehre’ (1786) berichtet zwar von einem realen Kriminalfall, wird aber von vielen in gewisser Hinsicht als früher Vorläufer des Krimis gesehen. E.T.A. Hoffmanns ,Das Fräulein von Scuderi’ (1819) gilt dann gemeinhin als erste deutsche Kriminalnovelle, in der die Aufklärung der geschilderten Raubmorde im Vordergrund steht“, klärt der Experte auf. Eigentlich schon Klassiker, aber bis heute sehr beliebt sind auf diesem Gebiet auch Dürrenmatt („Der Richter und sein Henker“) oder Fontane.
“ Im nächsten Serienteil am Dienstag geht es um Krimis aus Skandinavien.