Solidarität Was in der Corona-Pandemie jetzt für Kinder getan werden muss

dpa · Die Kinder haben sich in der Corona-Pandemie über viele Monate für die Gesundheit der Erwachsenen eingeschränkt. Jetzt sind sie selbst auf Solidarität angewiesen.

Auch regelmäßige Tests auf Corona in Schulen werden empfohlen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Die Schulen bleiben auf jeden Fall offen, wird die Politik nicht müde zu betonen. Dass das in diesem zweiten Pandemie-Herbst und -Winter funktionieren könnte, sagen auch Expertinnen und Experten. Allerdings müssen dafür Bedingungen erfüllt werden, auf die die Jüngsten oft wenig oder keinen Einfluss haben.

1. Impfen

Die Impfung von Erwachsenen sei für den Verlauf der vierten Welle entscheidend, so der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Tobias Tenenbaum, am Donnerstag in Berlin. „Kinder haben das Pandemiegeschehen zu keiner Zeit so beeinflusst wie die Erwachsenen.“

So bewertet auch Epidemiologe Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin die Situation. „Dieses 'Ich warte lieber mit der Impfung noch ab' kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das ist grob unsolidarisches Verhalten“, sagte Ulrichs der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Impfung sei nicht irgendwann fällig. Man brauche jetzt möglichst viele geimpfte Erwachsene, um diejenigen zu schützen, die sich - wie Kinder unter 12 Jahren - nicht impfen lassen können. Es sei geboten, dass sich die Erwachsenen in den nächsten Monaten zum Wohle der Jüngsten angemessen vorsichtig verhalten, so der Epidemiologe.

„Wir sind diejenigen, die die Kinder schützen müssen, und nicht umgekehrt“, betonte auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Jörg Dötsch. Es seien die Kinder gewesen, die Erwachsene mit geschützt hätten, als es noch keinen Impfstoff gab. Bezogen auf die aktuelle Situation wies er darauf hin, dass das Ansteckungsrisiko für Kinder im familiären Bereich deutlich höher sei als in der Schule.

2. Testen

Infektiologe Tenenbaum sieht die Politik bei den Schulen in der Pflicht, die Ressourcen für eine angemessene Teststrategie bereitzustellen. Da Antigen-Schnelltests bei Kindern weniger zuverlässig als bei Erwachsenen seien, plädiert er für PCR-Pooltests wie sie in NRW genutzt werden. Bei diesen werden die Proben einer Klasse gemeinsam im Labor auf Erbmaterial des Virus untersucht. Wenn der sogenannte Pool positiv ist, wird individuell nachgetestet.

Diese Art der Testung sollte ein Teil von Maßnahmen sein, „die den spezifischen Bedürfnissen dieser Altersgruppe gerecht werden“, erklärt der Infektiologe.

3. Pragmatischer Umgang mit der Situation

Kinderarzt Jakob Armann von der Dresdner Uniklinik wünscht sich insgesamt einen pragmatischeren Umgang mit der Situation. „Was ist das Ziel? Diese Frage kommt mir viel zu kurz“, sagte er. Man müsse nicht mehr jede Infektion um jeden Preis verhindern wie in der Phase, als die Risikogruppen noch nicht geschützt waren. „Gesunde Kinder und Jugendliche haben fast kein Risiko“, so Armann. „Aber sie sind massiv betroffen von den Rahmenbedingungen. Kinder brauchen soziale Teilhabe.“

Das bestätigt auch DGKJ-Präsident Dötsch am Donnerstag: Derzeit müssten nur sehr wenige Kinder in Deutschland wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden - was eine „beruhigende Nachricht“ sei. „Für die weitaus meisten Kinder sind die sekundären Krankheitsfolgen, nämlich die psychische Belastung durch Lockdown-Maßnahmen, ungleich belastender als die Erkrankung selbst.“

Man müsse nun erreichen, dass der Unterricht unter möglichst hoher Sicherheit, mit Masken, Abstand und Tests, so ungestört wie möglich stattfinden kann. Es gilt also eine Balance zu finden - bei der zwar nicht alle Infektionen vermieden werden, aber das Ganze nicht einfach laufen gelassen wird. Dötsch fordert: „Bevor noch einmal eine Schule geschlossen wird, müssen auch alle anderen Bereiche des öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens geschlossen werden.“

(dpa)