Bauformen für die Zukunft

Thomas Pink versteht sich als Dolmetscher zwischen Industrie, Forschung und Bauherr. Die Retrowelle in Düsseldorf sieht er kritisch.

Düsseldorf. Wie ein geschliffener Kristall ragt es am Horizont auf, je nach Standpunkt in ganz unterschiedlich konturierten Ansichten. Mal ist es nur eine dünne Fassadenscheibe, mal ein geschlossenes Volumen, und das alles über dem rauschenden Verkehrsfluss des Rheinufertunnels.

Auch fast 15 Jahre nach seiner Fertigstellung übt das Düsseldorfer Stadttor eine besondere Faszination aus. Dass die Stahl- Glasarchitektur nach High-Tech aussieht, hört Thomas Pink, Inhaber des Architekturbüros Petzinka Pink, allerdings gar nicht so gern. Auch wenn das Projekt vor dem Millennium entstand, ging es doch primär darum, „einen Arbeitsplatz für die Zukunft zu entwerfen, von dem noch keiner wusste, wie er aussehen würde“. Mit seiner gläsernen, zudem steuerbaren Doppelfassade gilt es als eines der ersten ökologischen Hochhäuser Europas — bevor Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu Modebegriffen wurden.

Auch heute denkt Thomas Pink Gebäude von den Grundlagen der Bauphysik und der Baukonstruktion her. Dabei setzten viele seiner Projekte schon gar nicht mehr auf die gläserne Volltransparenz der Neunziger Jahre.

Energieeffizienz lässt sich heute auch mit ganz anderen Technologien und Materialien erzielen: „Unsere primäre Aufgabe als Architekten ist immer der Wissenstransfer aus der Industrie und der Wissenschaft in Richtung Bauherrn“, meint Pink geschliffen. „Wir müssen diesen Prozess letztlich dolmetschen.“

Es ist diese moderierende Rolle, die das Büro von der Cecilienallee auch einen sensiblen Umgang mit alter, vermeintlich überkommener Bausubstanz pflegen lässt. Ob die Bochumer Jahrhunderthalle, die mit verhältnismäßig geringen Eingriffen in wenigen Monaten zu einer „Montagehalle für Kunst“ ertüchtigt wurde, oder die Derendorfer Rote Halle, die Petzinka Pink so entkernen und umbauen ließen, dass sie heute Modelabels einen kommunikativen Raum inmitten der morbiden Fassadenkulisse historischer Industriearchitektur bietet. „Die Abrissbirne ist nicht immer die Lösung,“ weiß der gebürtige Hamburger. „Das Alte zu transformieren bereitet eventuell viel mehr Schmerzen im Entwurfsprozess, am Ende schafft es aber viel mehr Befriedigung.“

Derzeit baut das Büro die ehemalige Christus-König-Kirche in Oberkassel zu einer Kita um — eine Herausforderung ganz nach Pinks Geschmack: „Es geht darum, den scheinbar unüberwindbaren Widerspruch aufzulösen zwischen einem majestätischen Raumvolumen und dem deutlich niedrigen Augenpunkt der Kleinkinder.“ Dass man sich dabei mit der Oberen Denkmalpflege reibt, bleibt nicht aus — Pink empfindet den Dialog aber als „letztlich befruchtend“. Bereits Ende des Jahres soll alles fertig sein.

Aber auch bei Wohnprojekten mischen die 28 Mitarbeiter des Büros derzeit kräftig mit. Gerade enstehen die Bilker Höfe — ein Nukleus, der mit seiner öffentlichen Freifläche dem Stadtviertel entlang der S-Bahn einen neuen Impuls verleihen wird. An der Rather Westfalenstraße hat Pink im vergangenen Jahr einen Wettbewerb gewonnen: In zwei alten, nachgenutzten Fabrikhallen will er Holzraumzellen für günstiges studentisches Wohnen einschieben.

Aber auch manches Luxusprojekt entwirft das Büro — einige davon mit zwar klassizistisch gegliederten, aber doch modern überformten Fassaden. „Klassizismus mit Augenzwinkern“ nennt Pink das und meint, dass man sich als Architekt auch solchen Stilübungen nicht verweigern sollte. „Das wäre ein Zeichen von Verlegenheit, weil man für die Aufgabe, die einem gestellt wird, keine Lösung findet, mit der man sich dauerhaft identifizieren kann.“

Die Retrowelle in Düsseldorf sieht der Architekt kritisch. Vieles davon sei in seiner bauästhetischen Qualität fraglich und das falsche Signal: „Wir müssen aufhören, Beton in die Schalung zu kippen und Stein auf Stein zu setzen, sonst verlieren wir den Anknüpfungspunkt zur Technik. Das wäre fatal, denn Architektur und Baukunst waren immer auch eine technische Speerspitze.“