Vereitelter Terroranschlag Befindlichkeiten in einer vom Terror bedrohten Stadt

IS-Terroristen haben Düsseldorf ins Visier genommen. Das bewegt alle: Politiker, Sicherheitskräfte, Veranstalter — und die Menschen auf der Straße

Polizisten gehen am 02.06.2016 in der Altstadt in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) Streife. Die Bundesanwaltschaft hat drei Syrer festnehmen lassen, die im Auftrag des Islamischen Staats (IS) einen Terroranschlag in der Düsseldorfer Altstadt begehen sollten. Ein vierter Verdächtiger sitzt in Frankreich in Untersuchungshaft, wie die Karlsruher Behörde am Donnerstag mitteilte. Foto: Maja Hitij/dpa

Foto: Maja Hitij

Düsseldorf/Berlin. Während im Landtag am Rheinufer Innenminister Ralf Jäger am Nachmittag das bekannt gibt, was er weiß, oder besser: was er sagen darf — und das ist nicht wirklich viel — hat der CDU-Innenexperte Gregor Golland seine Pressemitteilung längst verfasst. Zeit für Opposition. Es geht schnell, wenn erst öffentlich geworden ist, was Millionen Menschen aus dem täglichen Routine-Ablauf reist: IS-Terror in Düsseldorf, Sprengstoffwesten an der Heinrich-Heine-Allee, „möglichst viele Tote“, heißt es in dem Bericht der Generalbundesanwaltschaft. Der detailliert darstellt, wer da was wann geplant hat. Und vor allem: Wer da wie nach Deutschland gekommen ist. „Eine sofortige Sicherheitsüberprüfung aller Flüchtlinge in NRW“ verlangt Golland wenige Stunden nach den ersten Tickermeldungen. Jäger habe behauptet, über die Balkan-Route kämen keine Terroristen nach Deutschland, sagt Golland. Das sei offensichtlich naiv. Ab heute — da darf man sicher sein — wird das ein großes Thema werden. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagt am Donnerstag auf einem öffentlichen Termin zur Terrorgefahr vor der Haustür: nichts.

Ein Eingang zur U-Bahn-Station Heinrich-Heine-Allee, aufgenommen am 02.06.2016 in der Altstadt von Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen). Die Bundesanwaltschaft hat drei Syrer festnehmen lassen, die im Auftrag des Islamischen Staats (IS) einen Terroranschlag in der Düsseldorfer Altstadt begehen sollten. Ein vierter Verdächtiger sitzt in Frankreich in Untersuchungshaft, wie die Karlsruher Behörde am Donnerstag mitteilte. Foto: Maja Hitij/dpa

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Am Donnerstag war Düsseldorf vor allem eines: emotional angefasst. Konkreter als der Straßenname „Heinrich-Heine-Allee“ in den Ermittlungsinhalten der Generalbundesanwaltschaft geht es nicht.

„Wir haben es gerade im Radio gehört“, sagt der Einsatzleiter des Sicherheitsdienstes im U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee am Nachmittag. Mittendrin. Im Fall der Fälle könnten seine unbewaffneten Security-Leute wenig ausrichten, sagt er, und man hat: keinen Zweifel. „Dafür sind wir aber auch nicht da.“

Die Heinrich-Heine-Allee ist nicht nur eine vielbefahrene Nord-Süd-Achse in der Düsseldorfer Innenstadt. Sie wird gekreuzt von enormen Fußgängerströmen, die zwischen den wichtigsten Shoppingmeilen der Landeshauptstadt fließen. Das Ausmaß wird unter der Erde deutlicher. Hier fahren sämtliche elf U-Bahnlinien der Stadt. Es gibt inzwischen drei unterirdische Ebenen — erst im Februar wurde die neue, dritte Ebene in Betrieb genommen. Mit zahlreichen Ein- und Ausgängen ist der U-Bahnhof schwer zu sichern. Normalerweise geht es in der Altstadt um Taschendiebe, Drogenabhängige, Fußballfans und Betrunkene, die sich Schlägereien liefern. Und immer geht es um große Menschenmassen — viel attraktiver geht es nicht für potenziellen Terroristen.

Dass Namensgeber Heinrich Heine (1797-1856) auch noch ein liberaler, demokratischer Denker war, religionskritisch, der Aufklärung verbunden und Jude obendrein, dürfte islamistischen Terroristen als besonders symbolträchtig gefallen — wenn es denn in ihrer Planung eine Rolle spielte. Mutmaßungen, aber jeder hier macht sich jetzt Gedanken.

In einer Woche wird hier täglich ein großes Fanfest gefeiert, EM, Public Viewing vor dem Rathaus, wieder Massen, wieder detaillierte Sicherheitspläne. „Ich werde auf jeden Fall zum Public Viewing gehen“, sagt Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel, der zuvor nichts von den Plänen gewusst hat, obwohl die Düsseldorfer Polizei offenbar seit Monaten in die Ermittlungen eingebunden war. Eine Berichtspflicht an den Chef der Stadt gibt es nicht. Geisel sagt: „Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit.“Der Organisator der Fanmiele, Dennis Kessmeyer spricht von 50 Sicherheitskräften, die bei jedem deutschen Spiel im Einsatz sein werden. „Ich bin sicher, dass bei uns nichts passieren wird.“ Der letzte Satz in der Mitteilung der Generalbundesanwaltschaft lautet: „Die heutigen Festnahmen stehen nicht im Zusammenhang mit der bevorstehenden Fußballeuropameisterschaft in Frankreich.“

Im Gegensatz zum Flughafen und zum Hauptbahnhof müssen Terroristen an der Heinrich-Heine-Allee keine ständigen Patrouillen der Bundespolizei fürchten. Nur Videokameras, die Altstadt ist voll von diesen Überwachungsinstrumenten. Aber das wird am Ende keinen Terroristen aufhalten. Auch wenn die Altstadtwache der Landespolizei nur einen Steinwurf entfernt liegt: Kurz nach Bekanntwerden der Terrorpläne ist am Donnerstag weit und breit kein Polizist zu sehen. Im Ernstfall seien die Beamten aber sehr schnell da, versichert der Security-Einsatzleiter.

Dass konkrete Anschlagspläne direkt von der IS-Führung kommen sollen, lässt die Sicherheitsbehörden aufhorchen. Es ist eines der Szenarien, vor denen sie gewarnt haben — aber bislang gab es noch keinen solchen Fall. Es gab zwar viele allgemeine Aufrufe der IS-Oberen, in Deutschland und Europa Anschläge zu begehen. Aber einen präzisen Auftrag von der IS-Spitze wie nun für Düsseldorf — angeblich den einzigen konkret bekannten Terrorplan hierzulande — den gab es bislang nicht.

Den Auftrag hat die Gruppe nach Darstellung der Bundesanwaltschaft bereits 2014 von der Führungsebene des IS bekommen. Für die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat Irak und Großsyrien“ (ISIG). Im Haftbefehl heißt es, sie hätten sich zu einem „Verbrechen verabredet“. Der Sprengstoffexperte der Vierergruppe, Abd Araham A.K., soll sich außerdem bei der „Jabhat al-Nusra“ beteiligt haben. Im Januar dieses Jahres schien der Kontakt zu intensivieren, dann bricht er ab, weil sich Saleh A. am 1. Februar in Paris „gegenüber den französischen Strafverfolgungsbehörden offenbarte“.

„Passant Wolfgang Thelen (65) nervt das Thema gestern gewaltig. Traurig sei das alles, auch. Aber ein Stück rheinische Gelassenheit bleibt dem Mann: „Wie sagt man in Düsseldorf: Et hät no immer joot jejange“, sagt er. Nie wirkte das rheinische Wort absurd wie am Donnerstag.