Am Küchentisch mit... Bei Krysztina Winkel gibt’s Spaghetti Bolognese und Debatten
Der Küchentisch ist ein Symbol für Kommunikation und Genuss. Die WZ nahm Platz bei Künstlern, die etwas zu erzählen haben. Heute: Krysztina Winkel von der Oper.
„ETT BLEIBT SPANNEND“ - in großen Lettern gedruckt auf Leinwand. Dieses Motto dominiert als Textbild die Wand in der Küche von Krysztina Winkel. Direkt darunter der Ikea-Küchentisch, an dem in der Wohngemeinschaft der sympathisch strahlenden Power-Frau nicht nur getafelt wird. In der fünften Etage eines Bilker Mietshauses.
Spannend ist für die 24-jährige Musiktheater-Pädagogin nicht nur das Leben, sondern auch die vielen heißen Diskussionen. Häufig dient der praktisch nicht quadratische, dafür rechteckige Tisch - gegenüber einer modern funktionalen Küchenzeile - als Ort von Debatten über Politik, Kultur und ferne Kontinente. Am liebsten mit ihrem derzeitigen WG-Partner, mit Brüdern, Eltern oder Freunden.
Krysztina hat zwar wenig Zeit, freut sich aber immer über Besuch. Am Eingang spürt man schon: Das ist ein offenes Haus. Sie ist eine junge Frau des Worts und der Tat. Taucht zwar in den Jugend-Inszenierungen in das Reich der Träume, ist aber alles andere als eine Träumerin. Das bewies sie nicht nur mit originellen, witzigen, manchmal ganz schön schrägen Projekten des Opernlabors im Theatermuseum (die WZ berichtete), die junge Leute an das Genre Oper heranführen sollen. Sondern auch mit einem Musikprojekt mit Kindern in Sambia, das sie in ihrer Freizeit — während der Sommerpause — machen wird. ‚Smile Project’ nennt sie das sozial innovative Vorhaben, bei dem Jugendliche der Dritten Welt zu Gestaltern werden sollen - in Sachen Theater, Tanz und Musik.
Organisiert wird von ihrem Laptop aus — am Küchentisch. Denn in ihrer Freizeit wird das großflächige Möbelstück umfunktioniert in einen Schreibtisch. Dann stapeln sich hier Blätter, Prospekte und Bücher. „Von hier aus skype ich mit den Partnern in Afrika.“ Schon mal in aller Herrgottsfrühe. „Wegen der Zeitverschiebung“, sagt sie. Bis sie ihre Ansprechpartner erreicht, vergehen schon mal zwei Wochen. „Daran gewöhnt man sich allmählich. Die Menschen dort ticken halt anders als bei uns.“ Von diesem Tisch aus suchte sie in den letzten Monaten, per Internet und Telefon, die Sponsoren. „Das Projekt kostet einige tausend Euro, die ich nicht alleine stemmen kann.“ Es war kompliziert, das Geld zusammenzubekommen. Dank einer Stiftung habe es dann doch geklappt.
Aber: „Den Flug bezahle ich aus eigener Tasche. Das kostet nicht mehr, als ich für meinen Urlaub ausgeben würde.“ Den gönnt sie sich jetzt für wenige Tage. Zusammen mit ihrem Bruder fliegt sie hin und besucht die Viktoriafälle an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia. „Busch-Abenteuer - das muss auch sein“, schmunzelt Krysztina. Ein großes Fenster hinter dem Tisch gibt den Blick frei ins Grüne, auf Schrebergärten und den Südring.
Am Rande der Großstadt eine Idylle vor Augen. Das sei ideal zum Nachdenken, meint sie. Auch über das Thema Glück, das ebenfalls im Sambia-Projekt eine große Rolle spielt. „Das Thema ist auch wichtig für unsere Küchen-Debatten.“ Zumal ihr WG-Partner Sozialwissenschaft und Politik studiere. Heiße Eisen im Augenblick, auch am Bilker Küchentisch: US-Präsident Trump, der türkische Diktator Erdogan oder Kanzlerin Merkel. „Fragen, um die wir gerade streiten: Bin ich auf dem richtigen Weg? Oder: Handele ich nach meiner Überzeugung?“ Natürlich auch darüber, wann der richtige Zeitpunkt ist für eine enge Beziehung und für Familienplanung. „Irgendwann sicherlich, das wird das Leben zeigen.“
Bei so viel Lebensphilosophie und spannenden Diskussionen in der Küche bleibt die Frage: Wird denn hier auch gekocht? „Und wie! Am liebsten Spaghetti Bolognese“, strahlt Krysztina. Hackfleisch ist ihr Liebstes. Und tatsächlich, so die Theaterfrau, hat bei der Suche nach einem geeigneten WG-Partner die Vorliebe für Schabefleisch den Ausschlag gegeben.