Düsseldorfer Tanzschulen Boston-Club: Auch Tanz-Tee gehört zum Training

Der Düsseldorfer Boston-Club ist einer der größten Tanzsport-Vereine im Land.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Punkt 2 der Turnier-Ordnung von 1913 beginnt mit dem Satz: „Der Einleitungstanz ist der Boston“. Das war so eine Art amerikanischer Wiener Walzer, der dann als Modetanz über den großen Teich zurückkam aufs hiesige Parkett. Nach Düsseldorf. Hier wurde bereits im Mai 1912 der Boston-Club gegründet, im Breidenbacher Hof, schon damals Düsseldorfs gute Stube. In deren Tanzsaal traf sich die feine Gesellschaft sonntags zum Tanztee.

Der Tanzsportclub veranstaltete Kostümbälle, Sommer- und Herbstbälle im Interconti, viele Jahre seine legendären Boston-Bälle im Hilton-Hotel. „Nur, wer die Eleganz der Düsseldorfer und den Geschmack der Rheinländerin in Bezug auf Toilette kennt, kann sich ein Bild aus dem überragenden Gesamteindruck dieses Balles machen“, stellte das Magazin „Der Tanz“ fest.

Auch im 105. Jahr seines Bestehens trifft man sich im Boston-Club zum öffentlichen Tanztee, seit Mitte der 80-er Jahre im eigenen Vereinshaus in Vennhausen am Eller Forst. Es gibt Kaffee und selbstgebackenen Kuchen, das Clubhaus hat eine eigene Restauration. Der Raum ist karg aber riesig, wird auch durch einzelne Röschen auf den Tischen nicht gemütlicher. Aber das ist auch nicht die Absicht: Dies ist ja kein Ballsaal, sondern eine Sportstätte.

DJ Alexander David sagt im Takt die Tänze an wie 400-Meter-Läufe: Der Kalorienverbrauch soll, so sagen Sportmediziner, ähnlich sein. Jedenfalls ist Tanzen gesund, trainiert nicht nur die Muskeln, sondern auch die Koordination. Bei den Krankenkassen kassieren Tanzsportler Bonuspunkte. Zudem können Tanzfilme wie „Dirty Dancing“ oder „Saturday Night Fever“, auch die TV-Casting-Show „Let’s dance“ förderlich für die Mitgliederzahl sein. Manchmal bekommen Paare einen Gutschein für einen Tanzkurs geschenkt. Manche machen danach weiter.

Trainiert werden Foxtrott, Langsamer Walzer, Cha-Cha, Cha, Rumba, ohne Trainer auch beim Tanztee. Die Paare, meist ältere Semester, greifen mit Disziplin und Ausdauer in exakten Schrittkombinationen Raum, der reichlich vorhanden ist. Manche Männer tragen Jacketts oder Blousons mit Abzeichen und Aufdrucken ihres Clubs. Auf den ist man stolz, und entsprechend ist auch die Haltung.

Gelernt ist gelernt. Und, nach dem Gesichtsausdruck der meisten zu beurteilen: ist Tanzen eine ernste Sache. Disziplin zeigen auch zwei asiatische Pärchen, die sich nach ihrem gezirkelten Parcours übers Parkett mit hübschen Fächern Luft zufächeln. Nur vereinzelt schauen sich Pärchen auch mal verliebt an, vor allem die, die so trainiert sind, dass sie beim Tanzen nicht mehr von den eigenen Füssen abgelenkt werden.

Meist gibt es an solchen Nachmittagen noch Vorführungen der Extraklassen. „Doch nicht jetzt im März, gerade läuft der NRW-Pokal“, berichtet Jennifer Breising, die Sprecherin des Boston-Clubs und selbst Turniertänzerin. Sie ist von Kleinkindesbeinen an dabei. „Weil ich so wibbelig war“, meldete die Mutter sie zuerst in einer Ballettschule, dann mit drei in der Tanzschule an: „Als ich da die Mädels mit den Glitzerkleidern sah, war’s um mich geschehen.“

Mit sieben tanzte sie schon Rock’n Roll, später spezialisierte sie sich auf Latein. Auf die Standard-Frage, ob sie dabei auch ihren Partner kennen gelernt hat, lächelt die jetzt 30-jährige: „Ja, hab ich. Aber das war nicht mein Tanzpartner. Wir haben’s versucht, aber das hat nicht so gut geklappt.“ Training und Turniere sind Leistungssport, können aufreibend sein, besonders, wenn anschließend noch zu Hause Fehltritte diskutiert werden.

Allerdings: Obwohl man sich schon beim ersten Takt in den Arm nimmt, eine Partnerbörse ist so ein Club nicht. Flirtfaktor beim Tanztee? Im Tanzsportclub Fehlanzeige. Man kommt als Paar, tanzt als Paar. Breising: „Wir betreiben auch keine Tanzpartnervermittlung, das ergibt sich.“ Manche wollen auch gar keinen Partner. Da gibt zum Beispiel eine rege Single-Damen-Gruppe.

Das ist nur eines von vielen Angeboten im Boston-Club. Neben den in Leistungs-, Breiten- und Mannschafts-Breitensport unterteilten Turniertanzkursen, stehen auch Jazz- und Modern Dance, Discofox (da stellt der Boston-Club den Weltmeister), Kinderkurse ab vier Jahre, Salsa, Zumba und Aerobic, Hip-Hop und ein Cheerleaderkurs auf dem vielseitigen Programm. Sogar Special Dancing für Oldie-Paare. Da scheint die Grenze nach oben offen zu sein. Der Beweis: Ein Paar über 80 zeigt, da rockt noch was, sogar mit Überschlag.

Die Fläche ist immer gut gefüllt beim Tanztee. Kaum ein Paar legt eine längere Pause ein. Nur beim Paso doble, diesem tollen Tanz, bei dem der Herr der Stier ist und sie das rote Tuch, dünnt sich das Feld aus. Aber „Atemlos“, wie die von DJ Alexander aufgelegte Helene Fischer singt, scheint auch nach drei Stunden kaum einer zu sein.