Serie: Die besten Düsseldorfer Live-Konzerte King-Kurt-Konzert: Rituale, Rockabilly und Saufgelage

Am 27. Januar 1984 im Ratinger Hof: Der Auftritt mit der spektakulärsten Außenwirkung.

Foto: Conny Schnabel

Düsseldorf. Es gab viele legendäre Konzerte im Ratinger Hof, der Keimzelle der heimischen Punkbewegung. Für Düsseldorfs Musikszene war das erste Konzert von Wire im November 1978 das wichtigste, eine Initialzündung. Analog zum Sex Pistols-Gig in Manchester zwei Jahre zuvor gründeten auch hier rund 90 Prozent des Publikums direkt nach dem Konzert eine eigene Band. Wovon einige später selbst Geschichte schrieben.

In Manchester waren es The Buzzcocks und Joy Division, in Düsseldorf D.A.F., Der Plan und ZK (die Vorläufer-Band der Toten Hosen). Das Konzert mit der spektakulärsten Außenwirkung war allerdings jenes von King Kurt, einer Psychobilly-Band aus Brixton. Sänger „Smeg“ (Gary Cayton), die Gitarristen Paul („Thwack“) Laventhol und John Reddington, Rory Lyons am Schlagzeug, Bert Boustead am Bass sowie „Maggot“ am Saxophon zogen ein paar Jahre durch britische Pubs und Clubs, ohne dass ihr Erfolgs-Barometer sonderlich ausschlug.

Ursprünglich bekannt als „Rockin’ Kurt and his Saur Krauts“, später verkürzt zu King Kurt, gelang ihnen 1983 mit „Destination Zululand“ ein veritabler Indie-Hit. Doch als sie drei Tage vor Altweiber ins regnerische Rheinland kamen, eilte ihnen vor allem ihr Ruf als Radaubrüder voraus.

Ich zitiere aus meiner damaligen Ankündigung im Stadtmagazin „Überblick“: „Auch für männliche Besucher sind Damenkleider zwingend, um ins King Kurt-Konzert eingelassen zu werden. … Spaß heißt hier, dass Eier, Mehl, Tapetenkleister, Bananen und vielleicht auch die Innereien von so manchem Federvieh ins Publikum fliegen werden. Gefolgt wird diese ‚Publikumstaufe’ von einem Saufgelage, welches die Band selbst als ‚serious drinking’ bezeichnet. Freiwillige dürfen auf die Bühne und bekommen einen Trichter in den Mund gesteckt, in den ein Eimer mit einem Bier/Cidergemisch geschüttet wird. Wer´s am längsten aushält, hat gewonnen. Natürlich nimmt sich die Band selbst nicht von diesen Einführungsritualen aus…“

Und fast genau so kam es dann tatsächlich. Die Rituale (auch Haare schneiden auf der Bühne gehörte dazu) machten den punkigen Rockabilly, der zwischendurch mal zum zünftigen Pogo einlud, war fast nebensächlich. Der Hof war anschließend ein einziges Schlachtfeld. Wände, Theke, Leute, einfach alles war voller Mehlstaub. Auf dem Boden klebte eine fünf Zentimeter dicke Melange aus Getreidepulver, Bier, Kleister und Urin, die Schuhe und Stiefel schluckte. Auch jene, welche es bedeckten Fußes nach draußen geschafft hatten, sahen aus wie Überlebende einer Hardcore-Tortenschlacht — und fühlten sich auch so. Befreit. Von allen Konventionen.

Die Ratinger Straße war vom abgeschüttelten Mehl und Kleister auf mindestens 200 Metern weiß und schlierig. Auch noch viele Tage später. So ein Mehl-Regen-Gemisch ist hartnäckig. Ich war 25 Jahre alt und kann mich nicht entsinnen, jemals zuvor oder danach so archaisch im Kollektiv die Sau rausgelassen zu haben wie an jenem Montagabend zu Hofe.

Nach dem Kindergeburtstag mit Alkoholüberdosis hieß es die Kater aus dem Kopf und den Beinmuskeln los zu werden. Zwei Wochen später, als Katharina Witt bei Olympia in Sarajevo (ex-Jugoslawien) ihre erste Goldmedaille im Eiskunstlauf für die DDR gewann, hatte ich es endlich geschafft. Natürlich war das Konzert noch lange in aller Munde. Irgendwann wollten so viel Zeitzeugen dabei gewesen sein, dass der Gig eigentlich nur im Rheinstadion hätte stattgefunden haben können.

Tatsächlich waren es an einem Montagabend mal gerade knapp 400 große und kleine Schweinchen. Und auch wenn musikalisch nichts hängen blieb, ist das doch der Stoff, aus dem die Kultkonzerte sind.