Gast-Beitrag So kann man Denkmäler zu echten Denk-Malen machen
„Pokémon Go“ bringt Jugendliche an historische Orte, an die sie sonst nie gehen würden.
Neulich auf der Königsallee hatte ich ein faszinierendes Erlebnis: Hunderte, überwiegend junge Menschen, saßen auf der für den Autoverkehr gesperrten Girardet-Brücke und starrten auf ihre Smartphones. Gleiches passierte die Tage darauf, sogar an einem Sonntagmorgen hatten sich dort viele Schaulustige eingefunden. Als Architekt und Stadtbildpfleger der Düsseldorfer Jonges war ich begeistert und irritiert zugleich, dass diese wunderschöne und historische Brücke über den Kö-Graben mit seinen reich verzierten Säulen und Einfassungen einen solchen Besucherboom auslösen könnte. „Pokémon Go“ ist das Zauberwort, ein Computer-Spiel, in dem man mit dem Smartphone virtuelle Figuren an realen Orten verfolgen muss, und die Girardet-Brücke ist der größte Sammelpunkt weit und breit dafür, wie mir meine Kinder eifrig erklärten. Ähnliches in abgeschwächter Form passiert gerade an vielen anderen historischen „Hotspots“, wie zum Beispiel am Ratinger Tor oder Schlossturm.
Wie ist es möglich, dass ein virtuelles ‚Kinderspiel’ so viele junge Menschen mobilisiert und zu historischen Orten führt, an die sie sonst niemals gehen würden? Gedanken machen sich breit: an die vielen Anstrengungen, Informationswege in Form von digitalen Lernpfaden durch unsere Stadt(-Geschichte) zu kreieren. Positive Beispiele wie der „Industriepfad Gerresheim“, oder die „Route Industriekultur Ruhr“ sind leider diesbezüglich eine Rarität und erfahren viel zu wenig Achtung.
Die Vorstellung, dass Gamer und Youtuber zusammen mit Historikern eine neue Art der Zusammenarbeit pflegen könnten und die für unser kollektives Selbstverständnis wichtigen Orte zu echten, modernen ‚Denk-Malen’ inszenieren, ist aufregend und erschreckend zugleich. Wenn diese Bereiche real und digital erfahrbar werden und noch durch ein einzigartiges Wegenetz wie die unser Stadtbild prägenden Gaslaternen verknüpft würden, hätte Düsseldorf nicht dann ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal, um das uns viele Städte weltweit beneiden würden? Eine Synthese, die einer modernen, mutigen und zugleich mit reichlich Historie belegten Stadt wie Düsseldorf gerecht wird. Möglicherweise wird der Hype um ein Computer-Spiel nicht sehr nachhaltig sein, die Übersetzung von kulturhistorischem Gut in ein zeitgemäßes Gewand mit modernen Medien schon.
Volker Vogel ist Stadtbildpfleger der Düsseldorfer Jonges