Wird Flingerns Kreativen das eigene Viertel zu teuer?

Der Stadtteil gilt als Szeneviertel, was Wohlhabende anzieht – und Ängste weckt, dass Alteingesessene verdrängt werden.

Düsseldorf. Noch vor ein paar Jahren galt der Hermannplatz als Problempunkt: Er war Treffpunkt Jugendlicher, die viel Alkohol und Marihuana konsumierten. Eltern trauten sich mit ihren Kindern kaum auf den Spielplatz.

Jetzt hat sich Immobilienentwickler Ralf Schmitz ein Grundstück in Sichtweite des Platzes gesichert. Er baut hier Wohnungen für Menschen mit sehr viel Geld. Die teuerste kostet 1,15 Millionen Euro.

"Unter den Linden" soll das Objekt heißen. In einem Werbefilm wird das Viertel mit Notting Hill, dem Londoner In-Stadtteil verglichen, es fallen Sätze wie: "Es gilt unter eingeweihten Lebenskünstlern als Geheimtipp".

Auch von "Bürgerhäusern in der Nachbarschaft" ist die Rede. Passt ein solches Haus mit seiner zahlungskräftigen Bewohnerschaft hierher?

Jedenfalls hat Ralf Schmitz schon eine ähnliche Immobilie ein paar Straßen weiter in der Neanderstraße gebaut. Und auch beim Hermannplatz spricht heute niemand von sozialen Problemen. Der Platz ist der Mittelpunkt von Flingern Nord, dem Stadtteil, der inzwischen als der szenigste in Düsseldorf gilt.

Traditionell haben hier vor allem Arbeiter und ihre Familien gewohnt. Das ist nur in Flingern Süd bis heute so geblieben, der Stadtteil ist inzwischen zweigeteilt.

Rund um die Ackerstraße haben in den vergangenen Jahren immer neue Klamottenläden und Galerien aufgemacht, Cafés und Schmuckdesigner, Nippesgeschäfte und Eisdielen. Die wiederum haben neue Bewohner in den Stadtteil gezogen.

David Holtkamp (34) hat vor ein paar Jahren auf der Hoffeldstraße seinen Laden "Mischwaren" mit Designobjekten und -kleidung eröffnet. "Die Leute kommen aus anderen Städten hierher, weil sie wissen, dass sie hier solche Läden finden", sagt er. Er freut sich darüber, dass in den vergangenen Monaten Restaurants und Cafés in der Gegend aufgemacht haben.

Allerdings wohnt Holtkamp selber nicht in Flingern. Er habe sich schon einmal mit seiner Freundin umgeschaut, allerdings ohne Ergebnis. Am Ende stand die Erkenntnis: "Die Preise sind hier ganz schön gesalzen."

Das bestätigt auch Immobilienexperte Marcel Abel, zumindest in Teilen: "Sie zahlen Sie für Neubauten oft über 10 Euro für den Quadratmeter." Doch er betont auch, dass es noch immer viele günstigere Wohnungen im Stadtteil gibt.

Abel hat auch beobachtet, dass der Stadtteil in den vergangenen Jahren für zahlungskräftige Menschen attraktiver geworden ist. Projekte wie die Flurklinik oder Luxuswohnungen von Ralf Schmitz in der Neanderstraße und künftig am Hermannplatz würden auf die Umgebung abstrahlen.

Die Dynamik des Prozesses ist bekannt und hat sich schon in vielen anderen Städten auf immer ähnliche Weise abgespielt. Am Ende werden alteingesessene Bewohner von Zugezogenen verdrängt, die höhere Mieten zahlen können. Man spricht von Gentrifizierung (siehe Kasten).

Beim Düsseldorfer Mieterverein beobachtet man die Entwicklung aufmerksam. Zwar sei nach den Daten, die dem Verein vorliegen, die Entwicklung noch nicht besorgniserregend, sagt Rechtsberater Uwe Warnecke.

Das liege aber auch daran, dass Genossenschaftswohnungen den Schnitt nach unten drücken. "Schaut man sich bei Immobilienbörsen um, was Eigentümer verlangen, sieht es schon anders aus." Durchschnittlich 8,60 Euro kalt würden verlangt, was Warnecke "schon heftig" findet.

Warnecke sieht die Politik in der Pflicht, die Entwicklung zu beobachten: "Eine Möglichkeit gegenzusteuern kann sein, von Hauseigentümern Belegungsrechte zu kaufen und dadurch gefördertes Wohnen auszuweiten."

Der Soziologe Reinhold Knopp appelliert dagegen stärker an die Bewohnerschaft und Organisationen, dem Trend nicht tatenlos zuzusehen.

Inge Jungbauer (79) wohnt schon seit vielen Jahren in der Ackerstraße, ihre Wohnung war mal eine Sozialwohnung. Trotzdem ist ihre Miete seitdem kaum gestiegen, Veränderungen im Viertel hat sie aber beobachtet: "In der Nachbarschaft sind die Preise angezogen."

Aber das Viertel habe sich verbessert, mit den neuen Cafés und sanierten Häusern. "Was ich vermisse, ist nur ein Bäcker, wie es ihn früher gab, oder ein Metzger."