Kirchen in NRW St. Paulus: Kirchdach erinnert an Origami-Kunst
Auch die katholische Kirche St. Paulus in Neuss-Weckhoven ist eine intensive Erkundung wert.
Neuss. Wer bei Youtube die Wortkombination „St. Paulus“ und „Weckhoven“ eingibt, stößt sogleich auf das etwa zweiminütige Video von Josef Beeck. Der Neusser hat den imposanten Kirchenbau mit einer Kameradrohne aus der Luft gefilmt und fängt damit die außergewöhnliche Dachkonstruktion von St. Paulus wohl am besten ein.
Mit Blick auf den Haupteingang wirkt das Gebäude wie ein riesiges Schalentier, das seinen Kopf unter einen Panzer aus faltig aufgeworfenen, türkis patinierten Kupferplatten zurückgezogen hat. Die nördlichen und südlichen Sichtbetonwände können der klaren Geometrie kaum etwas anhaben. Aufregende Betonfaltwerke wie die von St. Paulus gehören zu den segensreichen Errungenschaften der 60er-Jahre-Baukunst.
Architekt Fritz Schaller wollte neue Wege beschreiten. Er plante ein baldachinartiges, gefaltetes Dach, das bis auf sehr niedrige Seitenwände herabreichen sollte. Vier Innenstützen sollten die Konstruktion tragen. Doch sein Sohn Christian drängte auf eine stützenfreie Lösung. Die wurde jedoch erst möglich, nachdem Vater und Sohn die Zusammenarbeit mit dem renommierten Bauingenieur Stefan Polónyi suchten. Ihm gelang es, das steile Faltdach so zu stabilisieren, dass die Stützen überflüssig wurden. „Das war eine Meisterleistung“, schwärmt Luis-Raphael Villena, bis heute kämen Statiker darüber ins Staunen. Der Weckhovener ist seit vielen Jahren in der Katholischen Pfarrgemeinde St. Paulus aktiv und selbst Ingenieur.
Auf Ackerland und Wiesen entstanden zwischen 1963 und 1966 rund um den kleinen, alten Weckhovener Dorfkern herum mehr als 1100 Wohnungen. Der Spatenstich für den Kirchenbau erfolgte ebenso im Zuge der Stadterweiterung. Gesichtslose Hochhäuser prägten lange das Bild. Die Wohnblöcke kamen in die Jahre, Weckhoven wurde zum Problemviertel. Mittlerweile hat sich viel getan, Häuser wurden abgerissen oder kernsaniert, Integration und Miteinander gefördert. „Dennoch“, sagt Villena, „das Gemeindeleben hat sich mit den Jahrzehnten stark verändert“.
Das Gotteshaus verfügt über knapp 400 Sitzplätze. Vier Bankblöcke sind schräg auf den Altar ausgerichtet. Doch während früher oft zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten, bleiben die meisten Holzbänke heute leer, die Gottesdienste sind nur noch spärlich besucht. Unter der Woche ist St. Paulus ganz geschlossen, allein die kleine Tageskapelle ist werktags von 8.30 bis 17 Uhr zugänglich.
Das moderne Erscheinungsbild mag damals nicht nur in Weckhoven einiges Aufsehen erregt haben. „Wahrscheinlich ist die Kirche außerhalb von Neuss bekannter als hier“, meint Villena. Doch für ihn ist und bleibt der Bau ein ganz besonderer Ort des Gebets: „Der Raum gewährt eine gute Verbindung zu den Menschen.“
Begeistert spricht er von den verdeckten Lichtöffnungen, die den Kirchenraum indirekt ausleuchten. „Das Dach wurde in nur sieben Zentimeter Stärke in Beton gegossen“, erläutert er. Damals sei mit einem neuen Spritzbetonverfahren gearbeitet worden. Der freistehende, spitz zulaufende Kirchturm ist über einen flachen Verbindungsgang mit der Kirche verbunden und ebenfalls als Faltwerkkonstruktion ausgebildet und mit Kupferblech eingedeckt.
Im Inneren der Kirche sind die Wände rau belassen. Die Ausstattung erfolgte erst ein Jahrzehnt nach Fertigstellung, da lange Zeit keine Einigung zwischen den Architekten und der Gemeinde in der Auswahl des Künstlers bestand. Jeweils links und rechts vom Altar stehen Bronze-Tabernakel und Taufbecken.
Der eindrucksvolle Kirchenraum ist sachlich-schlicht, die barocken Holzfiguren der Apostel an der Altarwand wollen daher nicht ganz zum Stil passen. Petrus und Paulus haben einen guten Stand auf einem kleinen Sockel, „schweben“ schon fast. Figuren und Kreuzwegtafeln waren ein Geschenk an die Gemeinde.
Der Boden besteht aus roten Ziegelfliesen und kleinen weißen Marmorquadraten, Altar und Ambo wurden aus Muschelkalk gestaltet. Ein Abbild der vier Evangelisten ist auf Fliesen rund um den Altar in den Boden eingelassen.
Die Akustik der Pfarrkirche könnte jedoch besser sein. Teppichboden an den Wänden schluckt den Schall. Villena: „Je nach Stimmgewalt des Pfarrers geht es auch schon mal ganz ohne Mikro.“