Babyblues statt Mutterfreude
Die Hälfte aller Frauen erlebt nach der Geburt ein Stimmungstief, das zu einer Depression werden kann. Pro Familia hilft.
Krefeld. Ruth Göbel erlebt das häufiger in ihrer Arbeit. Statt Freude über das ersehnte Baby, fahren die Gefühle der Mütter Achterbahn — Stimmungstiefs und Tränenausbrüche wechseln sich ab mit Reizbarkeit und Schlafstörungen. „Darauf sind die meisten Frauen nicht vorbereitet“, erzählt die Diplom-Psychologin von Pro Familia. Die Beratungsstelle an der Mühlenstraße widmet sich derzeit verstärkt dem Thema Babyblues.
Der amerikanische Fachbegriff bezeichnet ein kurzlebiges Stimmungstief innerhalb der ersten 14 Tage nach der Entbindung, das auch als sogenannte Heultage oder postpartales Stimmungstief bekannt ist. „Bis zu 50 Prozent der Gebärenden erleben eine solche Zeit“, sagt Ruth Göbel. Nicht nur der Hormonhaushalt im Körper der Frau stellt sich in diesen Tagen um, auch das neue Leben mit Baby ist ein anderes als in den Monaten vor der Geburt. „Meist klingen die Symptome innerhalb der ersten fünf bis zehn Tage wieder ab.“
Erst wenn die depressive Symptomatik länger andauert, handele es sich um eine ernsthafte Wochenbettdepression. Die könne laut Psychologin verzögert auch erst nach mehreren Wochen oder Monaten auftreten. Auch die Symptome sind stärker. Sie reichen von innerer Leere über destruktive Zwangsgedanken dem Kind gegenüber bis hin zu psychosomatische Beschwerden.
„Vermutlich trifft es jede sechste bis siebte Frau, die ein Kind geboren hat — Expertenangaben schwanken zwischen 15 und 25 Prozent“, erklärt Ruth Göbel. Doch obwohl sie öfter vorkommt als eine Brustentzündung, über die umfassend aufgeklärt wird, sind die Infos über das Risiko einer Wochenbettdepression vergleichsweise gering. In der Folge schämten sich diese Frauen für ihre Gefühle und fühlten sich als schlechte Mütter.
Die Wochenbettdepression kann gut behandelt werden. „Damit nicht unnötig viel (Leidens-)Zeit verstreicht, sollten sich betroffene Frauen trauen, darüber privat zu reden und sich von Fachleuten beraten lassen“. Es ist schließlich eine Krankheit.