Bis zum Ende der 50er Jahre: Eiskunstlauf hilft Eishockey
Ohne das Geld der „Kringeldreher“ wäre der Sport mit dem Puck wohl nicht so populär geworden.
Krefeld. So manche eingefleischte Eishockey-Fans in Krefeld werden bei den kommenden Zeilen kräftig schlucken müssen, so „unvorstellbar“ ist die historische Wahrheit: Es waren die Eiskunstläufer, die Kringeldreher, die bis zum Ende der 1950er Jahre die noch staksenden Eishockeyspieler finanziell und PR-mäßig übers Eis führen mussten.
Was für heutige Eissportfans kaum vorstellbar ist, beschreibt Hans-Werner Münstermann, Sohn des Eisstadiongründers Willi, und selbst mit dem KEV Deutscher Eishockeymeister 1952: „Ohne den Eiskunstlauf, dessen Zuschauerattraktivität und dessen Geld wäre es mit dem Eishockey nicht so schnell aufwärts gegangen.“
Sein Vater Willi hatte damals den prophetischen Satz geprägt: „Eishockey kostet mehr, als es einbringt.“ Was bislang alle Nachfolger im Lauf der Zeit erkennen mussten. Zuletzt Wilfrid Fabel, der 1995 bei der Gründung der Pinguine noch versprach: „Wir werden nie mehr ausgeben, als wir einnehmen.“ Im Sommer 2010 musste er ein existenzbedrohendes Loch in der Kasse einräumen.
Am Anfang von Krefelds Eissport stand der ganzheitliche unternehmerische Ansatz von Kühlhaus- und Eisstadionbesitzer Willi Münstermann. Er wollte den wirtschaftlichen Erfolg aus dem gesamten Eissport, daher säte er in aller Breite, schuf, was man heute Synergien nennen würde.
Die Hobby-Eisläufer vom Stadtwaldweiher oder Lunkebeins Kull genügten ihm nicht für sein neues Stadion. Der Geniestreich mit dem Hockeyteam der „German Canadiens“ brachte eine weitere Eissportmöglichkeit für die Krefelder — und für Münstermann potenzielle Einnahmen.
Hallentrainer gaben in den öffentlichen Laufzeiten Eislauf-Unterricht, suchten zum einen nach Talenten, zum anderen waren sie Kundenbindung pur. Zur Unterhaltung für die Erwachsenen gab es neben dem rührig betriebenen Treffpunkt „Eisstadion Gaststätte“ abendliche Show-Veranstaltungen, damals noch Schau geschrieben. Denn die Darbietungen der Eislaufstars waren absolute Publikumsrenner in der großen Zeit der spektakulären Revuefilme aus Hollywood.
Marlies Mildebrath-Schroer, Krefelds erste Eiskunstlaufmeisterin, erinnert sich. „Im Dezember 1945 gab es jedes Wochenende Schaulaufen im Stadion. Es war immer rappelvoll. An unserem Haus am Frankenring gingen nachmittags schon die Zuschauer auf dem Weg zur Westparkstraße vorbei.
Mein Vater, mit meinen Schlittschuhen und Kostümen im Koffer, und ich sind oft mit marschiert. Da ich nicht erkannt wurde, konnte man immer wieder spannende Dinge über sich selber hören.“
Die Kunstlauf-Veranstaltungen waren damals, wie schon vor dem Krieg, wahre Geldverdien-Maschinen. Erst ab den 1950er Jahren stiegen auch im Eishockey die Zuschauerzahlen langsam. Und selbst viele Besucher der Eishockeyspiele, vor allem die Sitzplatzkäufer — heute wären es wohl die Logeninhaber — kamen mehr wegen der Kunstlauffiguren.
Die 25-minütigen Drittelpausen mit ihren Schaulaufen waren folglich hochwillkommen — nicht nur Spötter meinen, sie seien die eigentlichen Attraktionen gewesen. Daher holte man alles aufs Krefelder Eis, was im Kunstlauf Rang und Namen hatte, profitierte von Münstermanns Coup mit Pionier Werner Rittberger und dessen weltweitem Renommee. Ja selbst Eishockey-Cracks mussten ohne Puck und Schläger in der „richtigen Schau“ ran. Zum Geldverdienen.
Beispielsweise „Häs“ Angenvoorth, der zusammen mit seinem Mannschaftskameraden „Büb“ Ponzelar eine damals legendäre Clown-Nummer in den Schaulaufen aufs Eis legte. Letzter „kunstlaufender“ Eishockey-Crack war übrigens KEV-Legende Karel Lang, der mit dem „Dreiersprung“ beim Siegestanz seine Eislaufwurzeln verdeutlichte. Was dem alten Münstermann wahrscheinlich ein „Siehste“ entlockt hätte.