Die Zille wird zum Drehort
In Krefeld entsteht der 30-minütige Diplom-Film „Wehrmann“.
Krefeld. Solche Szenen spielen sich vor der Musikkneipe Zille für gewöhnlich nicht ab, denn Uerdingen gilt ja gemeinhin als friedliches Pflaster. Und so bleiben am Dienstag einige Passanten stehen, als Frank Wehrmann schnellen Schrittes die Zille verlässt und dabei ziemlich finster dreinblickt. Unheimlich sieht er aus, trotz des schnieken Anzugs.
Roland Jäger, ungekämmt und im schmuddeligen T-Shirt, folgt ihm und ruft: „Hey Sie! Was haben Sie mit meinem Sohn zu tun? Lassen Sie die Finger von ihm!“ Wehrmann antwortet radikal und schlägt Jäger mitten ins Gesicht. „Seien Sie dankbar, dass ich Ihre Arbeit mache“, zischt er. „Sie können sich ja noch nicht mal um sich selbst kümmern.“
Wenn nicht Kameramann Thilo David Heins, Regisseur Tobias Schumacher und rund 20 andere fleißige Helfer um die Streithähne herumstehen würden, hätte wahrscheinlich bereits jemand die Polizei gerufen. Aber so ist allen klar: Hier entsteht gerade ein Film.
„Wehrmann“ ist die Abschlussarbeit von sechs jungen Männern, die an der Medienakademie WAM in Dortmund Film- und Fernsehproduktion sowie Regie studieren. Noch bis Sonntag werden sie an verschiedenen Orten in Krefeld die Szenen drehen, die dann zu ihrem 30-minütigen Diplom-Film zusammengeschnitten werden.
„Die Drehtage sind lang, meist so um die elf Stunden“, berichtet Regisseur Tobias Schumacher. „Das ist ziemlich anstrengend, aber die Arbeit macht riesigen Spaß, weil wir eine wirklich harmonische Crew sind.“ Ihr gemeinsames Projekt hat die Kommilitonen stark zusammengeschweißt — auch weil sie sich von der Planung und Organisation bis hin zur Finanzierung um alles selbst kümmern mussten.
Das bisherige Ergebnis macht ihren Dozenten Michael Schomers sichtlich stolz. Er ist in Krefeld vorbeigekommen, um zu sehen, wie es bei seinen Schützlingen läuft. Jetzt steht er am Rande des Dreh-Trubels, knipst ein paar Fotos und lächelt glücklich: „Ich finde es schön, wenn meine Studenten politische Themen anpacken“, sagt er. „Das Drehbuch ist richtig gut gemacht, da steckt viel Potenzial drin.“
Die Autoren Tobias Schumacher und Till Haarman haben eine Story entwickelt, die wegen der jüngsten Ereignisse rund um die Zwickauer Terrorzelle an Aktualität kaum zu überbieten ist: Einer ihrer Protagonisten ist Frank Wehrmann, Kopf einer rechtsradikalen Jugendgruppe. Im Verlauf der Handlung will er aus der Szene aussteigen, wendet sich an den Verfassungsschutz und lässt sich als V-Mann anwerben. Parallel dazu wird die Geschichte von Thorsten Jäger erzählt, einem schüchternen Jugendlichen, der aus einem kaputten Elternhaus stammt und in die Fänge der rechten Szene gerät.
„Ich finde es toll, dass sich ein junges Team an ein derart ambitioniertes Thema wagt“, sagt Timo Ben Schöfer, der Frank Wehrmann spielt und bereits in Fernsehserien wie „Soko Köln“ oder „Alarm für Cobra 11“ mitgewirkt hat. „Das Drehbuch ist wirklich gut und meine Rolle spannend.“
Auch Rainer Reiners, bekannt aus „Tatort“ und „Der Baader-Meinhof-Komplex“, mussten die jungen Filmemacher nicht zweimal bitten: „Das Drehbuch hat mich überzeugt, und da ich gerade nichts zu tun hatte, habe ich sofort zugesagt“, sagt der Darsteller von Roland Jäger, Vater des Jugendlichen Thorsten Jäger. „In kleinen Produktionen kann man sich prima ausprobieren — und Loser spiele ich besonders gerne.“