Eichhörnchen fressen Krefelderin sogar aus der Hand
Erst eins, dann zwei, mittlerweile sechs Tiere futtern sich bei Dorothé Straßburger durch. Aus ihren Fotos hat sie einen Kalender gestaltet.
Das Büfett ist hergerichtet: Ein Schüsselchen mit Sonnenblumenkernen, eine hohle Baumscheibe mit Walnüssen, ein paar Esskastanien und eine Schale mit Wasser stehen bereit. Die Besucher können kommen. Der erste Gast des Abends springt von der Regenrinne auf den Balkon, auf den Stuhl, auf den Holztisch und macht sich an den Nüssen zu schaffen. Und husch, husch, schon ist das Eichhörnchen wieder weg — mit einer Walnuss. „Die war dann wohl so gut, dass sie jetzt irgendwo eingebuddelt wird“, sagt Dorothé Straßburger, „Eichhörnchen können bei Walnüssen am Geruch und Gewicht erkennen, wie gut die Qualität ist.“ Manche werden direkt gefuttert, bei anderen lohnt es sich, sie für die kalte Jahreszeit aufzuheben.
Darüber, was alles in ihren Blumentöpfen und Kübeln auf dem Balkon steckt, kann die Bockumerin nur spekulieren. Ständig müsse sie verstreute Erde zusammenkehren. „Wahrscheinlich sind die Töpfe gerammelt voll.“ Blumen zu pflanzen habe wenig Sinn. „Was nicht absolut fest angepflanzt ist, wird rausgeschaufelt“, erzählt die 49-Jährige.
Das nimmt die Grafikdesignerin gerne in Kauf. So viel Spaß hat sie an den mittlerweile sechs Hörnchen, die immer wieder auf ihrem Balkon vorbeischauen. Jetzt im Herbst, wenn die Nager, die sonst übers Jahr täglich kommen, stattdessen Nussbäume in der Umgebung absuchen und selten zur Stippvisite in die zweite Etage klettern, „vermisse ich die schon“, sagt sie schmunzelnd. „Man wird ja doch ein bisschen bekloppt“, lacht sie, „ich bin Single, aber durch die Eichhörnchen nie allein.“
Mit einem Knabbergeräusch auf ihrem Balkon fing im April 2016 alles an. „Ich saß auf dem Sofa und hörte das, als ich nachsah, war es weg.“ Kam wieder, als sie saß, war wieder weg, als sie durch die Balkontür trat. Dorothé Straßburger vermutete Mäuse, stellte Fallen auf. Die blieben jedoch leer. Als sie dann aus einem Urlaub zurückkam und sich nach draußen setzte, sah sie plötzlich aus dem Augenwinkel einen buschigen, roten Schwanz unter ihrem Stuhl verschwinden. Sie sah nach und es gab erstaunte Blicke auf beiden Seiten. „Nach kurzer Schockstarre beiderseits war das Eichhörnchen dann schnell weg.“ Es kam aber immer wieder, um nach in den Kübeln vergrabenen Vorräten zu suchen. Aus einem wurden nach und nach drei, die sie wegen der Fußball-Europameisterschaft Jogi, Poldi und Schweini taufte.
„Ich fand Eichhörnchen immer schon gut“, erzählt Straßburger, die aber erst nach der Begegnung der pelzigen Art anfing, sich über die Kletterkünstler zu informieren. Sie fand heraus, dass „die Tiere — außer im Herbst — kaum Futter in der Natur finden und zugefüttert werden sollten, um zu überleben“. Täglich stellte sie ihnen Kerne und Nüsse raus. Als es immer mehr wurden, schnippelte sie auch mal Möhren klein. „Ich dachte, damit könnte ich billiger davon kommen. Die fressen mir ja die Haare vom Kopf. Andere Leute erzählen, dass die bei ihnen Gurken, Melonen, Trauben fressen. Das funktioniert bei mir nicht. Die sind verwöhnt.“
Über den ersten Sommer haben sich die Tiere auch daran gewöhnt, dass die „Mitbewohnerin“, wie sich Straßburger im Scherz nennt, auch den Balkon nutzt. Erst hatte sie die scheuen Hörnchen nur durchs Wohnzimmerfenster fotografiert. Dann setzte sie sich mit ihrer Kamera stundenlang still auf den Balkon. Weit über tausend Aufnahmen habe sie gemacht, berichtet die Grafikdesignerin, die im Studium mit dem Fotografieren anfing, beruflich einen Schwerpunkt auf Businessfotografie legt und in ihrer Freizeit auf Natur-, Landschafts-, Industrie-, Architektur- und Porträtaufnahmen. Ihre Bilder hat sie bereits bei einigen Ausstellungen gezeigt.
„Aber Tiere habe ich eigentlich überhaupt nie fotografiert.“ Die Eichhörnchen waren eine Herausforderung. „Anfangs hatte ich nur Bilder verwischter Schwänze. Die sind verdammt schnell.“ Nach anderthalb Jahren ist das Tempo sozusagen raus. Einige aus dem Sextett lassen sich sogar von Hand füttern. „Wenn mal nichts zu fressen bereitsteht, setzen sie sich vor die Balkontür und warten, bis ich komme. Ich laufe praktisch ständig mit einer Nuss in der Tasche herum“, strahlt Straßburger.