Verkaufs-Partys Krefeld kauft im Wohnzimmer ein
Der Direktvertrieb ist eine absolute Umsatzmaschine: Die Verkaufspartys kommen nicht aus der Mode.
Krefeld. Jeder kennt sie, sie klingen fast schon wie ein Klischee: die Verkaufs-Partys. Von Tupper, zum Beispiel. Eine Frau mit geräumigem Wohnzimmer lädt ihre Freundinnen und eine Beraterin ein, und dann wird vorgeführt, ausprobiert und eifrig gekauft. Jedoch sollte dieses Geschäftsmodell, das auch viele andere Firmen anwenden, keineswegs belächelt werden: Denn die Umsätze sprechen für sich.
„Unsere Mitgliedsunternehmen machen 71 Prozent ihrer Umsätze mit dem Direktvertrieb“, erklärt Jochen Clausnitzer, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Direktvertrieb Deutschland in Berlin. Besonders beliebt bei Verkaufspartys sind die Branchen Haushalt, Schmuck, Kosmetik und — tatsächlich — Duftkerzen.
In Steffi Jaschkes Küche finden sich gerade ihre Gäste ein. Normalerweise fährt sie raus zu ihren Gastgeberinnen. Heute lädt die Selbstständige aber zu sich nach Hause in St. Tönis ein: Sie vertreibt den Schmuck von Pippa & Jean. In der Küche sind zwei große Tische aufgebaut, auf denen das Geschmeide angeboten wird. Monika, die fast 71 Jahre alt ist — was man ihr aber überhaupt nicht ansieht —, ist zum dritten Mal bei einer Party von Pippa & Jean. Sie trägt eine Kette und ein Armband aus braunem Leder mit roséfarbenen Beschlägen, die hat sie sich beim letzten Mal gekauft. Dazu fehlen ihr noch Ohrringe und ein Ring. „Ich liebe diese vertraute Atmosphäre. Kein Verkäufer scharrt mit den Hufen, wir können alles ausprobieren und uns richtig viel Zeit lassen.“
Nachdem Steffi, eine junge Mutter von zwei Kindern, sich und das Unternehmen kurz vorgestellt hat, scharen sich alle um die Tische. Alle duzen sich natürlich. Es dauert nicht lange, da ruft die 23-jährige Carolin verzückt: „Ich bin verliebt!“ Ein schwarzes Armband mit silbernen Details hat es ihr angetan. Und es passt sehr gut zu ihrer Uhr. Der Schmuck ist hübsch und originell. Die Kombinationsmöglichkeiten scheinen unendlich, so dass auch unendlich viel gekauft werden könnte.
Wer Lust hat, mit seinen Freunden so eine Party zu veranstalten, der ist mit der Internetseite www.verkaufsparty.net gut beraten. Sie ist die einzige Website, die den Service zur direkten Vermittlung an die einzelnen Vertreter anbietet. „Ich wollte für meine Frau im Jahr 2013 eine solche Party organisieren, jedoch war das Internet damals wenig hilfreich“, erklärt Andreas Schneck, der Geschäftsführer von verkaufsparty.net. Eines der beliebtesten Unternehmen für Verkaufspartys, Tupperware, ist dort allerdings nicht gelistet.
Auf einen Blick ist dort aber zu sehen, wie viele Berater die verschiedenen Unternehmen für den Raum Krefeld im Einsatz haben. Der Duftkerzen-Hersteller Partylite führt die Liste an, ganze 25 Berater gibt es für Krefeld. Das Schmuck-Unternehmen Pippa & Jean hat 19, Vileda vier und Vorwerk ebenfalls vier Berater. Liebesengel hat sogar sieben.
Was ist denn Liebesengel? Nun, das ist ein Vertreter des etwas pikanteren, aber sehr erfolgreichen Bereichs des sogenannten Social Selling. Gerade der Erwerb von Sex-Spielzeug ist vielen schlichtweg peinlich, wenn man dafür in einen schmuddeligen Shop in der Stadt gehen muss.
„Meine Kunden genießen die lockere Atmosphäre unter Freunden oder Freundinnen. Außerdem kann man alles auspacken und genau begutachten. Das ist im Einzelhandel nur schwer möglich“, sagt Ingrid Schmitz-Kees. Sie ist seit zweieinhalb Jahren im Dienste der zwischenmenschlichen Freuden in einem weiten Radius rund um Köln unterwegs. Oft gebe es gerade zu Anfang eine gewisse Scheu bei manchen Neulingen. Die vergehe aber wie von selbst, so die erfahrene Beraterin.
Acht bis 15 Verkaufspartys macht Schmitz-Kees im Monat. Das Geschäft läuft so gut, dass sie überlegt, sich in ihrem richtigen Job einzuschränken. Eigentlich ist sie Fahrlehrerin. „Ich habe also von morgens bis abends mit Verkehr zu tun.“
Bei Steffi in St. Tönis werden unterdessen die Bestellzettel rausgeholt. Monika hat nach eifriger Beratung durch die anderen Gäste einen passenden Ring und Ohrringe gefunden. In etwa fünf Tagen wird der Schmuck dann bei ihr zu Hause ankommen. Pippa & Jean produziert die handgefertigten Waren in Deutschland und Italien und bietet zwei Jahre Garantie auf die Produkte. Ganz billig sind sie deshalb nicht.
„Das sieht so aus, als würde dir das gehören. Passt super“, sagt Carolin zur ebenfalls 23-jährigen Silke. Sie hat sich zwei Armbänder um das Handgelenk gelegt und wirkt auch schon ganz verliebt. Die Party läuft gut.
„Das Besondere ist sicherlich, dass man mehr Vertrauen in seine Freunde setzt als in einen Verkäufer oder die Kundenbewertungen im Internet. Wenn also eine Freundin von einem Produkt begeistert ist und dann eine solche Party veranstaltet, dann ist diese Empfehlung viel mehr wert“, sagt Jochen Clausnitzer. „Außerdem kann alles ausprobiert werden. So kommt ein ganz anderer Bezug zu dem Produkt zustande.“