Lebensmittelausgabe: Milch gibt es nur für Familien
Die WZ erlebte am Samstag den Andrang in der Dionysiuskirche mit.
Krefeld. Die wenigen Stufen am Nordeingang der Dionysiuskirche können eine große Hemmschwelle sein. Ungefähr ein halbes bis ein dreiviertel Jahr brauchte Bianca H. (Name geändert), bis sie sich traute, zur Lebensmittelausgabe zu gehen. Nun kommt die 40-Jährige seit zwei Jahren jeden Samstag hierher. Ihr Lebensgefährte, mit dem sie seit sieben Jahren zusammen lebt, drängte sie dazu.
Doch erst als sie mit der Mutter eines Schulkameraden ihres Sohnes gesprochen hatte, die in der Kirche Lebensmittelspenden holte, wagte sie auch diesen Schritt. Ohne die geschenkten Lebensmittel könnte Bianca, Mutter von zehn Kindern, nicht auskommen. Zwar sind ihre drei Größten bereits aus dem Haus, aber für die sieben kommt sie jede Woche. „Es ist manchmal die Hälfte, manchmal ein Viertel von dem, was man braucht“, sagt sie.
„Unsere Wünsche haben sich darauf eingestellt. Aber es ist nicht einfach, mein Lebensgefährte hat auch noch Diabetes“. Ihre Wünsche hat sie schon lange zurückgesteckt. „Ich freue mich immer hier zu sein und etwas zu bekommen.“ Manchmal hätte sie gerne mehr an Wurst, Kartoffeln und Milch. „Ich finde das schön, dass sich andere Leute aufopfern, um Menschen zu helfen. Dafür sollte man ihnen danken!“ „Danke“ ist ein Wort, das man häufig an den langen Tischen am Kircheneingang hören kann.
Bei der an diesem Samstag mageren Auswahl in den zwei Kisten mit Milchprodukten entlockt es einer Frau ein Strahlen über das ganze Gesicht, als sie mit ihrer Bitte nach einem Halben-Liter-Päckchen Ayran, das Getränk auch bekommt. Es muss stark rationiert werden, denn in den Ferien kommt weniger zusammen, da die Geschäftsleute knapper kalkulieren.
An diesem Samstag gibt es gerade einmal zwei Plastikkisten mit Pudding und Joghurt. Pro Person und Paar kann jeweils nur ein kleiner Becher verteilt werden. Einem älteren Herrn wird einer angeboten, doch er lehnt ihn ab: „Nein, den lasse ich für andere!“ Bei anderen Gästen — aber es sind nur einzelne — muss Erika Pielka etwas deutlicher werden, um die Artikel, die sie heute zu verteilen hat, gerecht auszugeben. Sie ist von Anfang an, d. h. seit fünf Jahren, dabei und weiß meist, für wie viele Personen sie etwas geben sollte. Obstsaft und Milch bekommen nur Familien mit Kindern. „Flammkuchen gibt es nur für Familien“, muss sie einem Gast erklären, der gerne einen hätte. „Nä, Familie! Den Schmarrn tu’ ich mir nicht an!“ antwortet dieser grinsend und lässt sich von der Menschenschlange vor den Tischen weiter schieben. Beim Joghurt wird er auch nur spartanisch versorgt, aber an der Obsttheke gibt es heute reichlich für jeden. „Gisela, was heißt Sauerkraut auf Russisch?“ hallt es durch die Kirche. Nur mit Deutsch kommen die ehrenamtlichen Helfer nicht immer aus. Die 250 bis 300 Gäste, die sich regelmäßig in St. Dionysius einfinden, haben viele Muttersprachen und gehören relativ gleichmäßig verteilt zu allen Altersgruppen.