Wir Krefelder Ostern feiern in einer besonderen Familie
Im Kinderdorf Bethanien wohnt Marlene Altevers mit sieben Kindern zusammen, die nicht ihre leiblichen sind.
Krefeld. Auf dem großen Esstisch im Wohnzimmer steht ein Eimer voller Kleister. In den greifen viele Hände hinein. Und mit der klebrigen Masse wird Zeitungspapier auf aufgeblasene Luftballons gepappt. Am Ende werden das dann hübsch bemalte Osterkörbchen für die Familie im Tannenhaus.
Und das ist eine besondere Familie: Marlene Altevers lebt dort mit sieben Mädchen und Jungen, die alle nicht ihre leiblichen Kinder sind. Sie ist Mutter einer Kinderdorffamilie im Bethanien Kinderdorf in Schwalmtal. Dorthin kommen auch viele junge Krefelder, wenn das Jugendamt keine andere Möglichkeit mehr sieht, als die Trennung von ihren Eltern. Als christlich geprägte Einrichtung des Bethanier-Ordens sind die Feiertage, und vor allen Dingen Ostern, hier wichtig.
Und das sieht man dem Tannenhaus auch an, draußen wie drinnen. Das hellrote Gebäude wirkt einladend und freundlich. Draußen stehen viele Blumen und Ostergestecke. Drinnen ist ebenfalls schon österlich dekoriert. „In die Osternester kommen dann die gefundenen Eier“, sagt der elfjährige Michael. Er ist ein freundliches und aufgewecktes Kind, auf eine entzückende Weise vorlaut. Und er erzählt uns, was Ostern für diese Familie so alles bedeutet. „Vor allem bedeutet das ewig langes Essen“, frotzelt er.
Michael spielt Geige, läuft Parcours, spielt Fußball, geht zum Hip-Hop, zum Breakdance. Am Wochenende besucht er Schulfreunde und rettet mit ihnen Tiere im Wald. Dass das Stillsitzen nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, kann man sich gut vorstellen. Und da das vielen der kleinen Bewohner so geht, werden die Gottesdienste in der Dorfkapelle mit den Mädchen und Jungen und kindgerecht gestaltet. „In die Kirche gehen wir an Ostern oft, ab Gründonnerstag jeden Tag bis Ostermontag“, betont Michael. Nur der Sonntag kommt ohne Kirchenbesuch aus.
Die Kinder im Tannenhaus sind zwischen zwei und fünfzehn Jahren alt, drei von ihnen sind geistig oder körperlich behindert. Die Jüngsten, zweijährige Zwillinge, halten die Familie ganz schön auf Trab. „Mit denen passiert immer etwas Unerwartetes“, sagt Marlene Altevers. Erst am Freitag haben die beiden sich gegenseitig die Haare mit Zahnpasta gewaschen. Aber Michael passt sehr gerne auf die beiden auf, wenn er kann. Er möchte Lehrer werden. Kunst, Sport und Mathe wären die Fächer seiner Wahl.
Die Vorbereitungen für Ostern beginnen für Marlene Altevers und ihre Schar schon vor Palmsonntag. Da werden die Palmzweige gebastelt. Der Esel Stanley, aus dem dorfeigenen Ponyhof, spielt dann — durchaus naheliegend — den Esel, eins der Kinder den Heiland. „Aber das machen eher die Kleinen, die es mit Pferden haben“, findet Michael.
Kinderdorfmütter wie Marlene Altevers bekommen Unterstützung im Haushalt und in der Betreuung. Einige Kinder brauchen eine intensivere Zuwendung. Ansonsten läuft der Alltag ziemlich normal ab: Aufstehen, Frühstück, ab in die Schule, danach Hausaufgaben, Hobbys oder Therapien, und dann ist wieder Schlafenszeit.
Nach Gründonnerstag, und dem abendlichen Agapemahl, gibt es am Karfreitag imm ein Wortgottesdienst. Der war dieses Jahr etwas trauriger als sonst, im November ist der langjährige Kinderdorfpfarrer verstorben. „Der fehlt allen“, sagt Michael. Für Sonntag werden dann noch Osterlämmer und -brote gebacken, die letzten Eier gefärbt, die Osterkerzen sind schon fertig.
„Am Ostersamstag ist hier ab etwa zwölf Uhr das Fasten vorbei“, erklärt Altevers. Um 21 Uhr begeben sich alle zum Osterfeuer, im anschließenden Gottesdienst liest auch Michael einen Teil der Schöpfungsgeschichte. Nach einem gemütlichen und ausgiebigen Brunch, bei dem Michaels Beine bestimmt zappeln werden, können endlich die Eier gesucht werden. „Letztes Jahr hat Christian meine in einer Plastiktüte im Teich versteckt, und ich seine auf dem Schuppendach“, erzählt Michael mit leuchtenden Augen.
Christian ist der Schwiegersohn von Marlene Altevers und auch ein ehemaliger Bewohner des Kinderdorfes. Er wird auch in diesem Jahr, diesmal am Ostermontag, vorbeischauen. „Etwa 15 Ehemalige haben sich für dieses Jahr angekündigt“, erzählt die Mutter der Kinderdorffamilie.
Seit bereits 24 Jahren lebt und arbeitet sie hier. Ihren Glauben will sie niemandem aufzwingen. Dennoch ist ihr die Einhaltung der christlichen Feiertage, wie sie im gesamten Dorf gelebt wird, sehr wichtig. „Allein der Tradition wegen. Wir entwickeln rund um die Feiertage unsere eigenen kleinen Rituale. Das sind besondere Orientierungspunkte, die uns viel Freude machen.“ Auch Michael mag die Traditionen. „Am Ostersamstag gibt es in unserer Familie abends immer einen Mettigel. Und ich esse dann die rohen Zwiebeln da runter.“