Schieben, schleppen, schimpfen: Mit dem Buggy durch die City
selbstversuch Wie familienfreundlich ist die Krefelder Innenstadt? Die WZ hat einen Test mit Kleinkind gewagt.
Krefeld. "Der Bus fährt geschwind von früh bis spät, quer durch die ganze Stadt." Das war das Lieblingsbilderbuch von Julius und Sebastian, die inzwischen längst auf Thriller umgestiegen sind und mit dem Bus ganz unabhängig zu ihren Sportveranstaltungen fahren. Aber wie ist es mit der kleinen Julia, zweieinhalb, in ihrem Sportbuggy? Die WZ machte die Probe aufs Exempel, begleitete Julia und ihre Mutter Sandra Niehaus zu einem Bummel in die Innenstadt.
Am Breiten Dyk geht’s los. Der Halb-Zehn-Uhr-Bus kommt schnittig um die Kurve und bremst direkt vor uns. Einstieg in der Mitte, das geht gut. Sportbuggy in die vorgeschriebene Bucht bugsieren geht auch. Da steht allerdings schon ein Rollator, und es ist ein bisschen knapp mit dem Platz. Die beiden Rollfahrzeuge halten sich gegenseitig, aber wir ziehen trotzdem die Bremse an. Gut so, denn am Ende des Dahlerdyks tönt ein Martinshorn, und der Busfahrer kann endlich mal so richtig voll in die Eisen latschen. Der Buggy steht wie eine Eins, wir nicht so. Sitzplätze hätten wir nur ganz hinten im Bus bekommen, aber wir wollten Julia nicht allein lassen. Devise: Festhalten, was das Zeug hält.
Rheinstraße, wir steigen aus. Das heißt, wir versuchen uns einen Weg durch die Menge zu bahnen. Eine Stufe, ein flacher Kantstein, viele Passagiere. Zu normalen Zeiten sollen ja knapp zehntausend Menschen diesen Verkehrsknotenpunkt passieren, täglich. Ein paar davon stehen uns ziemlich im Weg. Vis-a-vis ein Bäcker: Wegzehrung für Julia, die das alles bisher sehr interessant fand. Für unsere Brötchen und ein Fruchtgetränk jonglieren wir ein Tablett zur Kasse: Eine Hand den Buggy, eine Schulter die Handtasche, eine Hand das Portemonnaie, das Tablett nehmen wir einfach in die dritte Hand.
Und nun: Einkaufsliste abarbeiten. Zuerst der Teeladen. Wir kommen sehr gut hinein, betrachten kurz all die zerbrechlichen Herrlichkeiten und entscheiden, dies sei ein Geschäft für Erwachsene. Einkauf verschoben auf den kinderfreien Nachmittag. Apotheke: Zwei Stufen, blöd. Beim Verlassen bleibt die Bremse an den Stufen hängen. Rollator-Kunden kommen hier erst gar nicht rein. Wir brauchen noch etwas zum Anziehen. Bei Sinn führt eine Rampe direkt in die Kinderabteilung, vorbildlich. Im nächsten Schaufenster schöne bunte Kinderklamotten: Doch die vier Stufen schrecken uns ab. Weiter.
Bei Hasi und Mausi (H&M) quetschen wir uns in den schmalen, knarzenden Aufzug und haben ganz schnell Alarmstufe Rot: "Mami, ich muss mal!" Eine freundliche Mitarbeiterin schließt ein Treppenhaus auf, führt uns zwei Treppen tiefer und erklärt: "Die Toilette ist nur für Notfälle." Deswegen gibt’s wohl auch keine Handtücher. Aber immerhin ist uns geholfen. Den Buggy müssen wir unbeaufsichtigt oben stehen lassen.
Auf der Liste steht nun noch der Kaufhof: Da entdecken wir das "Spatzennest". Hier können Eltern ihre Kinder am Nachmittag abgeben und in Ruhe einkaufen, in der Porzellanabteilung etwa. Wir wüschen uns auch ’ne kleine Ruhepause: Ein Kaffee im Café Journal. Es ist noch nicht voll, und der Buggy passt noch rein. Bei Hochbetrieb würde das Fahrzeug wirklich stören. Ein Stückchen weiter betrachten wir verzweifelt den großen Schlund der Ostwall-Unterführung: Nur wenn zufällig ein Muskelmann seine Hilfe anböte, wäre es ein Leichtes. In der Wirklichkeit laufen erstmal etwa ein Dutzend Menschen an Julia und ihrer Mutter vorbei, bis eine junge Frau ihre Hilfe anbietet und den Buggy mit runtertragen will. Wir gehen aber dann doch lieber ebenerdig zur Straßenbahn 44, auf den Bus müssten wir fast eine halbe Stunde warten.
Schon mal im schmalen Rock, Handtasche über der Schulter, mit müdem Kind im Buggy, Einkaufstaschen an den Griffen, die hohen Stufen einer Straßenbahn hinaufgeklettert? Geht nicht wirklich gut, und ohne Hilfe überhaupt nicht. Gegen Mittag sind wir zu Hause, und nicht nur Julia wünscht sich einen Mittagsschlaf. Wovon sie träumt: "Julia ist Eisenbahn gefahren!"