Mircos Mutter sagt vor Gericht aus
Krefeld/Grefrath. Die Mutter des kleinen Mirco hat im Prozess gegen dessen mutmaßlichen Mörder ausgesagt. Die 35-jährige Frau aus Grefrath beschrieb Mirco am Donnerstag vor dem Landgericht Krefeld mit ruhiger und gefasster Stimme als zuverlässiges, selbstbewusstes Kind.
Sein Fahrrad sei ihm ein und alles gewesen. Er hätte es nie irgendwo liegen gelassen - nach Mircos Verschwinden war es herrenlos gefunden worden. Mircos Mutter trat sehr beherrscht auf und antwortete etwa 20 Minuten lang auf Fragen. Der nur wenige Meter entfernt sitzende Angeklagte Olaf H. blickte zumeist vor sich hin. Am ersten Prozesstag hatte er gestanden, Mirco missbraucht und erdrosselt zu haben.
Das Gericht hörte auch die beiden Zeugen, die vom Handballtraining kamen und vermutlich zum Zeitpunkt der Entführung Mircos am 3. September zufällig am Tatort vorbeigefahren waren. Einer der beiden jungen Männer hatte im Halbdunkel einen geparkten VW Passat Kombi an den Rückleuchten erkannt. Dieser Autotyp war später als Täterauto identifiziert worden.
Bei einer großangelegten Suche nach diesem Modell war die Polizei auch auf den nun angeklagten Olaf H. gekommen. Er hatte einen VW Passat als Dienstwagen gefahren. Die 20 und 28 Jahre alten Zeugen hatten außerdem aus der Ferne ein kurz hell aufscheinendes Licht gesehen, aber im Vorbeifahren nichts erkannt. Vermutlich kam das Licht von Mircos Fahrrad.
„Die beiden Zeugen waren entscheidend für die Aufklärung“, sagte die Anwältin von Mircos Eltern, Gabriele Reinartz, und lobte deren „fantastische Wahrnehmungsgabe“.
Der 45 Jahre alte Olaf H. steht wegen Mordes an dem Jungen vor Gericht. Der Polizei hatte der bieder wirkende Familienvater und gelernte Fernmeldehandwerker mehrere Versionen der Tat aufgetischt. Nach Ansicht des Gerichts sind viele Fragen noch ungeklärt - etwa ob der Mann an diesem Abend entgegen seiner Darstellung nicht doch gezielt auf der Suche nach einem Jungen gewesen sei. Richter Herbert Luczak legte dem Angeklagten erneut nahe, sein Geständnis zu ergänzen und sich dem Psychiater zu offenbaren.
Mircos Mutter kam in Jeans und dunkler halbärmeliger Bluse in den Zeugenstand. Der Auftritt sei für sie sehr wichtig gewesen, sagte ihre Anwältin: „Sie musste es für ihren Sohn schaffen.“ Die Eltern des Jungen, die sehr gläubig sind, treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Der Vater saß am Donnerstag schon zu Beginn im Saal, die Hände übereinandergelegt.
Seine Frau, die als Verkäuferin arbeitet, berichtete, wie wichtig das Rad für ihren Jungen gewesen sei. Mirco hatte es erst drei Monate vor seinem Verschwinden bekommen und selbst gespartes Geld zum Kaufpreis dazugetan. Der Zehnjährige habe Angst im Dunkeln gehabt, sagte sie. Das Kind war abends auf dem Heimweg von einer Skaterbahn in seinem Heimatort verschwunden.
Der Verteidiger des Angeklagten berichtete, sein Mandant habe „große Angst“ vor der Begegnung mit den Eltern gehabt und sei nachher in seiner Zelle emotional zusammengebrochen. Olaf H. verfolgte den Prozesstag erneut schweigend, mit grauem Gesicht und meist vor sich hinblickend. Dass er inzwischen von seiner dritten Frau geschieden ist, erfuhr der 45-Jährige vom Vorsitzenden Richter. Er quittierte die Nachricht mit einem verlegenen Grinsen und Schulterzucken. Der ehemalige Telekom-Mitarbeiter hat sein ganzes Leben lang am Niederrhein gewohnt, er heiratete dreimal und hat vier Kinder.
Bis zu seiner Festnahme wohnte Olaf H. unauffällig in einer Eigenheim-Siedlung in Schwalmtal bei Mönchengladbach, 17 Kilometer südlich von Mircos Wohnort. Mit der Vernehmung von an die 40 Zeugen überwiegend aus dem Umfeld des Angeklagten hofft das Gericht, dessen Persönlichkeit zu ergründen. Der Prozess soll bis Ende September dauern.