Herr Paatz, für Sie gilt ein Mensch erst als schwimmfähig, wenn er das Jugendschwimmabzeichen in Bronze hat. Sind das nicht etwas zu hohe Ansprüche?
Interview Gefährliche Strömungen und irreführende Seepferdchen – wie man Badeunfälle wirklich verhindert
Berlin · Nicht nur Kinder unterschätzen die Gefahren beim Baden. Ein Experte der DRK-Wasserwacht über unzureichende Schwimmabzeichen und was man tun soll, wenn im tiefem Wasser plötzlich die Kräfte schwinden.
Die Hitze trügt. Obwohl die Sonne knallt, sind Küste, Seen und Weiher noch kalt. Weil dadurch die Muskulatur schneller ermüdet, sollten Badende nicht zu lange im Wasser bleiben, rät Andreas Paatz, Bundesleiter der DRK-Wasserwacht. Im Interview gibt er Tipps, um Badeunfälle zu vermeiden. Um unbeschwert ins Wasser zu gehen, reicht das Seepferdchen aus seiner Sicht nicht aus.
Andreas Paatz: Keineswegs. Die Fertigkeiten für das Seepferdchen reichen aus, um sich ein bisschen über Wasser zu halten. Das ist vielleicht als Einstieg hilfreich. Aber was ist, wenn man etwa auf dem Tretboot die Plätze tauscht und dabei bekleidet ins Wasser fällt? Im Notfall helfen dann Fertigkeiten, die das Abzeichen fordert: Ich beherrsche die Schwimmtechnik, kann 200 Meter schwimmen, 10 Meter tauchen und mit geöffneten Augen einen Gegenstand hochholen – also auch unter Wasser orientieren. Und ich kenne alle Baderegeln.
Auch mit Nichtschwimmern sind Sie strenger, als es gängige Baderegeln vorschreiben. Nach denen dürfen sie immer bis zum Bauch ins Wasser, bei Ihnen nur bis zu den Knien. Warum?
Andreas Paatz: Man stelle sich vor, wie an Nord- oder Ostsee eine Welle ankommt und die Unterströmung einen ganz schnell von den Beinen wegholt und in die Tiefe spült. Das Gefährliche in dem Fall: Der Nichtschwimmer reißt vor Schreck den Mund auf, Wasser schwappt hinein, und er kann nicht einmal mehr rufen. Deshalb sollten Nichtschwimmer nur bis zum Knie ins Wasser – da haben sie einen sicheren Stand.
Gibt es Zeichen, an denen man Strömungen erkennen kann?
Andreas Paatz: Bei einem Fluss kann man durch einen hineingeworfenen Gegenstand die Fließgeschwindigkeit erkennen. An der Ostsee am Kräuseln einer Brandungswelle. Aber das ist für einen Laien schwierig. Dort sollte man sich an den gelben und roten Flaggen oder Bällen der bewachten Badestrände orientieren.
Wie verhalte ich mich als Schwimmer, wenn im tiefen Wasser plötzlich die Kräfte nachlassen?
Andreas Paatz: Sofort die Rückenlage einnehmen und sich mit der Strömung treiben lassen! Die Füße sollten Richtung Strand zeigen, damit man das Ufer im Blick hat. So bekommt man Aufwind, und die Atemwege bleiben frei. Man sollte versuchen, in einem großen Bogen an Land zu kommen und nicht auf kürzestem Weg. Ab und zu rufen und winken kann helfen, auf sich aufmerksam zu machen. Ansonsten nur sparsam bewegen.
Raten sie deshalb, immer zu zweit ins Wasser zu gehen?
Andreas Paatz: Es kann immer plötzlich eine kalte Strömung kommen, und man verkrampft. Dann ist es gut, eine zweite Person zu haben. Das gilt aber auch für Kinder, die nie allein ins Wasser gelassen werden sollten. Während vielleicht die Eltern ein Nickerchen machen und sich beruhigen „Mein Kind hat doch das Seepferdchen“. Ob Pool, Weiher oder Meer – immer dabei bleiben!
Angenommen, man hat vor 30 Jahren ein Seepferdchen gemacht. Man fühlt sich als lausiger Schwimmer und sieht jemanden, der zu ertrinken droht. Wie verhalte ich mich?
Andreas Paatz: Auf keinen Fall falschen Heldenmut zeigen und hinterherspringen. Der Rettungsschwimmer hat sonst schlimmstenfalls zwei Opfer zu beklagen. Stattdessen laut um Hilfe rufen, Notruf absetzen, dann schauen, ob ich dem Ertrinkenden etwas Schwimmfähiges reichen kann.